Der Senkrechtstarter erobert derzeit die deutschsprachigen Bühnen im Sturm. Der 1992 in Richterswil am Ufer des Zürichsee geborene Schauspieler spielte schon als Schüler der Stiftschule Einsiedeln Theater, lernte mehrere Instrumente und Sprachen und schrieb erste Songs für seine eigene Band, die er bei Rockshows aufführt. Nach seinem Abitur und dem Rekrutendienst ging er von 2011 bis 2015 zur Ausbildung an die Schule für Schauspiel Hamburg und machte seinen Abschluss mit Auszeichnung. Mit seiner siebenköpfigen Band „Love Rockets“ spielt er eine skurrile Show mit dem Titel „Tag der Helden“, im Programm sämtliche Cartoon-Introsongs der 80er, 90er, 2000er Jahre von Ghostbusters bis Pokémon, von Rider bis Sailor Moon. Ein Fest für eingefleischte Gamer wie auch für Cartoon-Fans. 2014 und 2018 schlüpfte Malär in die Rolle von Paul McCartney in „Backbeat – Die Beatles in Hamburg“ für das Altonaer Theater und die Festspiele in Heppenheim. Malärs stürmische und verspielte Musikerseite kommt bei dem Theaterkollektiv Cocodello voll zum Zuge. Im Doppel mit seiner ehemaligen Schauspieldozentin Cornelia Schirmer schrieb und komponierte er mehrere Musicals, die in Hamburg uraufgeführt wurden und auf Tourneen ging. Berühmt wurde 2016 die Eigenproduktion „Auf alten Pfannen lernt man kochen“ im Altonaer Theater. Thema ist eine schauspielerische und musikalische Schlacht um das Drama mit den Vorsprechrollen, die große Leidenschaft fürs Theater und die Tücken des Altersunterschieds in der Liebe. Mit dem Nachfolgestück „Auf der Bühne gehörst Du mir“ startete das Duo 2018 in den Hamburger Kammerspielen erneut durch. 2019 war Malär dort als charmanter Kellner in Dietmar Loefflers Liederabend „Pasta e Basta“ zu sehen, ein Part, der ihm wie auf den Leib geschneidert war. Bei dieser Rolle profitierte er nicht nur von seinem unglaublichen Musiktalent, sondern auch davon, dass er die italienische Sprache quasi mit der Muttermilch aufgesogen hat. Das kam ihm 2017 in der Doppelfolge der TV-Serie „SOKO München“ zugute, wo er in die Rolle des italienischen Neffen des Kommissars schlüpfte, der zwielichtige Geschäfte macht. Im Sommer 2019 stand Malär für seinen ersten Kinofilm „Platzspitzbaby“ vor der Kamera und trat am Rigiblick Theater in Zürich als Amadeus Mozart in dem vielfach preisgekrönten Theaterstücks von Peter Shaffer auf. Die Neue Zürcher Zeitung, NZZ, titelte am 26.2.2019 nach der Premiere: «Delio Malär ein Wunderkind.» Weiter schrieb Daniele Muscionico: «Er hat eine Traumrolle gefunden. Er spielt das Leben von Wolfgang Amadeus Mozart nach und zeichnet dabei eine rasante Entwicklung eines obszönen Kindes bis zum Tod. In der Todesszene, die Musiker spielen dazu das «Lacrimosa», ist Malär so anrührend, dass selbst der Regisseur sagt: Ich muss jedes Mal weinen. Die Rolle hat alles, was einen bewegten Abend ausmacht. In Delio Malär artikuliert sich Lebenslust pur und Spielfreude.» Mehr geht nicht, könnte man meinen, aber weit gefehlt! Für seine künstlerischen Leistungen und Erfolge im Jahr 2019 wurde Delio Malär für den Prix Walo in der Sparte Newcomer nominiert, der wichtigsten Auszeichnung im schweizerischen Showbusiness.
Aktuelle Produktion: „Amadeus“
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Robert Hunger-Bühler
Der Schauspieler mit der nachhaltigen Präsenz hat an vielen Theatern gespielt, von denen er zu Beginn seiner Karriere sicherlich geträumt hat. Für den gebürtigen Schweizer Robert Hunger-Bühler, der neben einer Lehre als Hochbauzeichner seine im Abendstudium absolvierte Ausbildung an der Schauspiel Akademie in Zürich 1974 abgeschlossen hatte, war das natürlich an erster Stelle das Schauspielhaus Zürich, an dem er seit der Spielzeit 2002/2003 festes Ensemblemitglied war und nach den vielen Charakterrollen, in denen er dort zu sehen war, Kultstatus besitzt. Zwei Inszenierungen von Stefan Pucher, in denen er die Titelrolle spielt, werden zum Theatertreffen in Berlin (auf dem die zehn bemerkenswerten Inszenierungen der Saison gezeigt werden) eingeladen: 2003 „Richard III.“, 2011 „Der Tod eines Handlungsreisenden“. Ibsens „Ein Volksfeind“ (er ist der Bruder des Volksfeinds) wird 2016 nicht nur für das Berliner, sondern auch für das 3. Schweizer Theatertreffen ausgewählt. Nach Shylock in „Der Kaufmann von Venedig“ (2008) ist er in zwei Inszenierungen moderner Stücke von Pucher zu sehen: 2011 als Hamm in Becketts „Endspiel“ und 2019 in der Uraufführung „Frankenstein“. Zu den weiteren Hochkaräter-Rollen, die Robert Hunger-Bühler in Zürich spielt, gehören Danton in „Dantons Tod“ (Regie: Christoph Marthaler), Michel in Houllebecqs „Elementarteilchen“ (Regie: Johan Simons) und der Waffenfabrikant in Shaws „Major Barbara“ (Regie: Peter Zadek). Zwischen 2009 und 2014 tritt er in fünf Inszenierungen von Barbara Frey auf: als Philosoph in „Triumph der Liebe“ von Marivaux, als Pantalone in Goldonis „Diener zweier Herren“, als Büchners „Woyzeck“, Ibsens „Baumeister Solness“ und Edgar-Allan-Poe in „A Dream Within a Dream“. 2016 und 2017 steht er in den Titelrollen von Lessings „Nathan der Weise“ (Regie: Daniela Löffner) und als Puntila in Brechts „Herr Puntila und sein Knecht Matti “ (Regie: Sebastian Baumgarten) auf der Bühne. 2017 und 2019 ist er in zwei Theateradaptionen/Inszenierungen von Frank Castorf zu sehen. („Die fremde Frau und der Mann unter dem Bett“ nach Dostojewski und „Justiz“ nach dem Roman von Dürrenmatt). In einer Bühnenfassung nach Bulgakows Roman „Hundeherz“ (Regie: Alvis Hermanis) macht er 2018 als Professor aus dem Hund Lumpi den Menschen Lumpikow. Begonnen hat die Theaterlaufbahn des 2015 als Herausragender Schauspieler mit dem Schweizer Theaterpreis ausgezeichneten Künstlers in Wien, wohin er 1975 nach Abschluss der Schauspiel Akademie geht. Während des Studiums (Theaterwissenschaft und Philosophie) arbeitet er an der von ihm gegründeten (Studenten)Theatergruppe 85 und als Schauspieler, Regisseur und Dramaturg u. a. am Theater am Belvedere. Schon bei seinen ersten beiden Festengagements erlebt er Theater-Sternstunden: in Ramón Parejas Inszenierung „Così parlò Pasolini“ tritt er mit dem Ensemble-Theater 1982 bei den Wiener Festwochen auf, mit dem Theater Bonn erreicht er 1986 in der Titelrolle von Kleists „Amphitryon“ (Regie: Jossi Wieler) zum ersten Mal den Theatertreffen-Olymp der Berliner Festspiele. Die feinnervige Intelligenz, mit der Robert Hunger-Bühler seine Rollen gestaltet, und seine stupende Verwandlungsfähigkeit machen ihn natürlich zu einem begehrten Protagonisten für Regisseur*innen wie Andrea Breth, Luc Bondy, Klaus Michael Grüber, Claus Peymann, David Mouchtar Samorai, die mit ihren Inszenierungen Theatergeschichte schreiben. Mit ihnen und ihren Kolleg*innen aus Zürich arbeitet er u. a. an der Freien Volksbühne, der Schaubühne am Lehniner Platz und der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin, am Schauspielhaus Graz, am Wiener Burgtheater, am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, beim Kunstfest Weimar oder an den Münchner Kammerspielen. Bevor er in der legendären für die Expo 2000 in Hannover produzierten (später auch in Berlin und Wien gezeigten) zweiundzwanzig Stunden Inszenierung der beiden Teile von Goethes „Faust“ den Mephisto spielte, war er 1998 – ebenfalls unter der Regie von Peter Stein – in der Wiener Festwochen-Produktion des Theaters in der Josefstadt in „Die Ähnlichen“ von Botho Strauß als Teufel zu sehen. Nur jeweils ein klassisches (Schillers „Maria Stuart“ am Hans Otto Theater Potsdam), und ein zeitgenössisches Stück (Einar Schleefs „Die Bande“ an der Volksbühne Berlin) können hier stellvertretend für die Bühnensprache stehen, die Robert Hunger-Bühler für seine eigene Inszenierungen entwickelt hat. Kaum vorstellbar ist, dass der Schauspieler neben den vielen Theaterengagements auch noch Hörbücher eingesprochen und zwei Bücher (2001 „Mephisto: Ohne Licht, ohne Lärm. Aus dem Leben eines Schauspielers“, 2012 „Herzschlag–Zeit“ Haiku Gedichte) geschrieben hat. Von der anspruchsvollen Filmkarriere, die er vorweisen kann, müssen aus Platzmangel zwei Beispiele genügen: 2004 wird er auf dem internationalen Filmfest in Varna/Bulgarien als Bester Schauspieler für die Darstellung der Titelrolle in „Casanova“ ausgezeichnet; der mit ihm besetzte Film „Unter dir die Stadt“, wird 2010 bei den Filmfestspielen in Cannes uraufgeführt und gewinnt 2012 den Preis der deutschen Filmkritik. Und um eine aktuelle TV-Produktion zu erwähnen: In inzwischen sechs Folgen der Zürich-Krimis „Borcherts Fall“ steht er als Richter Suso neben Titelrollen-Anwalt Christian Kohlund vor der Kamera. 1990 spielte Robert Hunger-Bühler während seines Engagements am Theater Freiburg, dem Premierenort der Deutschsprachigen Erstaufführung von „Anne-Marie die Schönheit“, den Edmund in O’Neills „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ und den Prinzen in Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“ (Regie: jeweils Jürgen Kruse). Sechs Jahre vorher war er beim EURO-STUDIO Landgraf (eine Koproduktion mit den Bühnen der Stadt Bonn) in Dieter Wedels spektakulärer Inszenierung von Arthur Schnitzlers „Reigen“, als Dichter zu sehen.
Aktuelle Produktion: „Anne-Marie die Schönheit“