Archiv der Kategorie: Biografien

Timothy Peach

Unterschiedlicher könnten sie nicht sein, die Rollen, durch die das Tournee-Theater-Publikum den in München geborenen britisch-deutschen Schauspieler bisher kennen gelernt hat. 2006 besetzte Ellen Schwiers ihn mit der Traumrolle des Tellheim in Lessings „Minna von Barnhelm“. In der EURO-STUDIO-Landgraf-Produktion „Kleine Eheverbrechen“ von Eric-Emmanuel Schmitt gelang ihm als mysteriöser Gilles, der angeblich unter Amnesie leidet, der Wechsel ins Charakterfach. Fünf Jahre später brillierte er in der 2015 mit dem 1. INTHEGA-Preis ausgezeichneten „Ziemlich beste Freunde“-Produktion des Tournee-Theaters THESPISKARREN. Eine Herausforderung, der sich der Schauspieler gern stellte, war der Rollenwechsel von dem an den Rollstuhl gefesselten Philippe zu der des Jazz-Liebhabers Michel, d. h. direkt im Anschluss an die totale Bewegungslosigkeit eines bis zum Hals Gelähmten, musste er im Kampf um nur „Eine Stunde Ruhe“ quasi einen 100-m-Lauf gewinnen. Perfektes Timing verlangt jetzt auch die Rolle des Daniel in der ebenfalls von Florian Zeller geschriebenen Komödie „Die Kehrseite der Medaille“, mit der er seit Herbst 2021 – wie in den anderen EURO-STUDIO-Landgraf-Produktionen – gemeinsam mit seiner Frau Nicola Tiggeler auf Tournee ist.
Nach dem Studium (Germanistik, Geschichte und Theaterwissenschaft) an der LMU München und der Ausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart (1984 – 1987) begann seine Schauspielerkarriere an den Städtischen Bühnen Augsburg. Aus privaten Gründen war dieses erste von 1989 bis 1991 dauernde Engagement sein Wichtigstes, denn bei dem Volker-Ludwig-Musical „Linie 1“ lernte er seine Schauspielkollegin Nicola Tiggeler kennen, die 1993 seine Frau wurde.
Nachdem er das Glück hatte, in kurzer Zeit durch äußerst unterschiedliche TV- und Filmrollen bekannt zu werden (1989 – 1992 Rudi Grandauer in der bayerischen Kultserie „Löwengrube“, 1990 Kinofilmdebüt mit der Hauptrolle in der Musikkomödie „Keep on Running – Zur Hölle mit der Penne“), und weil er immer neue attraktive Angebote in allen TV-Formaten erhielt, gab er 1991 sein festes Theaterengagement auf und arbeitet seither als freischaffender Schauspieler. Es folgten unzählige Fernsehfilme, wie die mit großer Fernsehprominenz besetze (u. a. Maria Schell und Horst Buchholz) 6-teilige TV-Familiensaga „Der Clan der Anna Voss“. Seine Gastauftritte in den „SOKOs“ „Kitzbühel“, „Köln“, „Stuttgart“ und der Münchner „SOKO 5113“, in den Serien „Der letzte Zeuge“, „Der Bulle von Tölz“, „Der Bergdoktor“, „Traumschiff “, „Praxis Bülowbogen“, „Alle meine Töchter“, „Wolffs Revier“, „Der Landarzt“ (als Dr. Kasperski), „Lena Lorenz“, „Um Himmels Willen, „Die Rosenheim-Cops“ u. a. beweisen, dass er schnell zu den meistbeschäftigten Schauspielern gehörte.
Natürlich wurde er bevorzugt in Romanzen und Familien- und Heimatfilmen, wie „Herzflimmern – Die Klinik am See“ (34 Folgen), „Sturm der Liebe“ (14 Folgen), „Rote Rosen“ (als Jan Mertens, 209 Folgen) sowie Utta-Danella- und Rosamunde-Pilcher-TV-Reihen, in Herzensbrecherrollen besetzt. Dass Timothy Peach auch anders kann, zeigte er z. B. 1993 in dem von Michael Verhoeven inszenierten TV-Drama „Eine unheilige Liebe“, einem TV-Drama zum Thema Zölibat, oder in dem 1998 ausgestrahlten Melodram „Das fremde Kind“ (Regie: Dominique Othenin-Girard), in dem es um einen Jungen mit Down-Syndrom geht.
Zu den außergewöhnlichen Highlights seiner internationalen Engagements gehörten die Dreharbeiten mit den italienischen Legenden Paolo (Buch) und Vittorio Taviani (Regie) bei der 2001 ausgestrahlten Verfilmung von Tolstois Roman „Die Auferstehung“, in der er die Hauptrolle des Fürsten Nechljudow spielte, der seiner Geliebten ins Straflager nach Sibirien folgt. 2003 lief „Luther“, der von dem britischen Regisseur Eric Till inszenierte Spielfilm, an. In der deutsch/US-amerikanischen Koproduktion, in der er als päpstlicher Gesandter Karl von Miltitz besetzt war, stand er mit Peter Ustinov in dessen letzter Rolle vor der Kamera.
Von Beginn an hatte er die schwierige Aufgabe, die Film- und TV-Angebote mit seinen Theaterplänen zu koordinieren, denn Rollen wie Andri in „Andorra“ von Max Frisch (1992, Freilichtspiele Schwäbisch Hall) oder die drei Shakespeare-Rollen Menlanius in „Antonius und Cleopatra“ (1994, Salzburger Festspiele), Romeo in „Romeo und Julia“ (1995, Kreuzgangspiele Feuchtwangen), Demetrius in „Ein Sommernachtstraum“ (2004, Festspiele Bad Hersfeld) oder die Titelrolle in Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ (2018/2019, St. Nikolaikirche Potsdam) darf natürlich kein Schauspieler absagen! Ebenfalls 2018/19 war er als Wilhelm in dem von Gabriel Barylli geschriebenen und inszenierten Komödie „Sommerabend“ am Theater an der Kö Düsseldorf, am Theater im Rathaus Essen sowie am Theater am Dom in Köln zu erleben.
2008 trat er in dem gemeinsam mit seiner Frau erarbeiteten Programm „Nehmt die Wäsche vom Hof, die Komödianten kommen!“ im Parktheater Göggingen auf. Seit 1995 ist er Sprecher bei den spannenden Hörspielen zum Mitraten „Dem Täter auf der Spur“.
Von 2020 bis 2023 war Timothy Peach als Neville in „Schöne Bescherungen“ unter der Regie von Folke Braband an der Berliner Komödie am Kurfürstendamm sowie an der Komödie Winterhuder Fährhaus in Hamburg zu sehen.

Aktuelle Produktionen: „Die Kehrseite der Medaille“, „Kalter weißer Mann“

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Volker Hesse

Hesse wuchs in Deutschland und in der Schweiz auf, studierte in Köln und Wien Theaterwissenschaften, Germanistik und Philosophie und promovierte 1972 zum Dr. phil. Nach Schauspielunterricht bei Will Quadflieg assistierte Volker Hesse Regisseuren wie Leopold Lindtberg und Hans Hollmann. Erste eigene Inszenierungen entstanden am Wiener Cafétheater, am Galerietheater Die Rampe in Bern und mit der freien Gruppe Die Claque in Baden bei Zürich. Mitte der 1970er Jahre inszenierte Volker Hesse u. a. am Stadttheater Bern, am Stadttheater Trier und an den Münchner Kammerspielen. Ab 1979 gehörte er zum Team des Düsseldorfer Schauspielhauses und erarbeitete u. a. Grasers „Witwenverbrennung“ (1980), Lessings „Minna von Barnhelm“ (1980/1981) und „Nathan der Weise“ (1983) sowie Tankred Dorsts „Heinrich oder die Schmerzen der Phantasie“ (1985). Mit Arthur Schnitzlers „Professor Bernhardi“ wurde Hesse 1987 zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Nach 1985 war er wieder als freier Regisseur u. a. am Bayerischen Staatsschauspiel und am Berliner Maxim Gorki Theater tätig. In den Medien hoch gelobt wurde seine Leitung (gemeinsam mit Stephan Müller) und seine Inszenierungen am Theater am Neumarkt Zürich (1993-1999). Hesses dortige Uraufführungen „In Sekten“ (1995) und „Top Dogs“ (1997) wurden zum Berliner Theatertreffen eingeladen. 2001 übernahm er die Intendanz des Maxim Gorki Theaters Berlin, das er bis 2006 leitete. Um die Jahrtausendwende begann er, sich in der Schweiz mit großen Freilichtaufführungen zu beschäftigen: Nach dem „Einsiedler Welttheater“ (2000 und 2007) leitete er 2008 und 2012 die Tellspiele in Altdorf (Kanton Uri). Ein Höhepunkt war seine Inszenierung „Sacre del Gottardo“ zur Eröffnung des Gotthard-Basis-Tunnels im Juni 2016 mit ca. 600 Mitwirkenden vor Tausenden von Zuschauern. Neben der großflächigen und effektvollen Arbeit (u. a. mit Laien) interessiert ihn aber auch nach wie vor die politische Wirksamkeit von Theatertexten. Zuletzt arbeitete Volker Hesse am Düsseldorfer Schauspielhaus (Bertolt Brechts „Arturo Ui“), am Konzert Theater Bern (Uraufführung von Philipp Löhles „Wir sind keine Barbaren!“ und eine Fassung von Homers „Ilias“) und am Schauspielhaus Graz (Ayad Akhtars „Geächtet“). Überregionale Aufmerksamkeit erregte im Sommer 2017 seine Inszenierung des Mysterienspiels „Akte Zwingli“ von Christoph Sigrist über den Schweizer Reformator im Großmünster Zürich mit Chören, Orchester, Tänzern und Sängern. 2018 wurde seine eigene Dramatisierung des Alten Testaments unter dem Titel „Das Alte Testament“ am Schauspielhaus Graz aufgeführt. Als Dozent gibt Hesse sein Wissen u. a. an der Zürcher und der Berner Hochschule der Künste an jüngere Generationen weiter. 2010 wurde er für seine vielseitigen Inszenierungen und seine Leistungen als Theaterleiter mit dem Hans-Reinhart-Ring, der höchsten Auszeichnung des Schweizer Theaters geehrt.

Für das EURO-STUDIO Landgraf erarbeitete er neben „Wunschkinder“ folgende Produktionen: Urs Widmers „Top Dogs“ (1. INTHEGA-Preis 1999), Neil LaButes „Fettes Schwein“ .u. a. mit Martin Lindow (3. INTHEGA-Preis 2009) und William Gibsons „Licht im Dunkel“ (3. INTHEGA-Preis 2012); diese Inszenierungen geben einen Einblick in seinen textgetreuen, beziehungsgenauen Regiestil.

Aktuelle Produktion: „Wunschkinder“

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