Archiv der Kategorie: Biografien

Peter Shaffer

Zitiert aus einem Interview mit Barry Pree. Veröffentlicht in The Transatlantic Review. Januar 1963, Seite 62:

»Alle Kunst ist autobiografisch,
da sie sich auf persönliche Erfahrungen bezieht.«

Vielleicht finden sich deshalb so viele kontrastierende, gleichstarke Hauptfiguren in seinen Stücken, die sich spiegeln wie Mozart und Salieri in „Amadeus“, die überkorrekte Lotte und die in ihrer Fantasie lebende Laura in der Komödie „Laura und Lotte“ oder Jill und Alan in „Equus“.

Am 15. Mai des Jahres 1926 erblickte zwischen 9:30 Uhr und 9:35 Uhr das wohl erfolgreichste Zwillingspaar der Literaturgeschichte in Liverpool das Licht der Welt: Anthony und Peter Shaffer. Von Glücksgöttin Fortuna und Thalia, der Muse des Theaters, gleich zweifach mit Talent und Geist ausgestattet, konnte auch der Schreckensruf des Großvaters angesichts der doppelten Bescherung
– »schließt die Tür und sagt es niemandem« – das Talent der Kinder nicht im Verborgenen blühen
lassen.

Nach einem unfreiwilligen Zwischenstopp im Zweiten Weltkrieg (ab 1944) als Wehrpflichtiger in einer britischen Kohlenmine ging Peter nach Abschluss seines Geschichtsstudiums in Cambridge (B. A. 1950) gemeinsam mit seinem Bruder Anthony nach New York. Während sie in einer öffentlichen Bibliothek arbeiteten, begannen sie gemeinsam unter dem Pseudonym Peter Anthony mit einigem Erfolg Kriminalgeschichten zu schreiben.

Doch erst als sie sich getrennt auf den Weg machten, die Bühnen dieser Welt mit ihren Texten zu erobern, zeigte sich, dass die Göttinnen nicht umsonst an ihrer Wiege gestanden hatten. Anthony landete mit dem Recht des um fünf Minuten Älteren den ersten Coup: Sein Kriminalstück „Revanche“ (2006/2007 als EURO-STUDIO Landgraf-Produktion mit Martin Lindow in der berühmten Doppelrolle auf Tournee), zählt noch heute weltweit zu den besten Stücken, die dieses Genre zu bieten hat. Dann aber zeigte Peter, dass man auch als Zweitgeborener nicht vor verschlossenen Bühneneingängen steht. Nachdem er in New York als Bibliothekar und nach seiner Rückkehr in London bei dem bekannten Musikverlag Boosey & Hawkes als Musikredakteur gearbeitet hatte, entschied er sich doch für die Muse Thalia und eroberte im Eiltempo die Bretter, die noch immer die Welt bedeuten.

Die deutschen Zuschauer verführte er 1967 mit seiner – hochbesetzt mit Albert Finney und Maggie Smith 1965 beim Chichester Festival uraufgeführten – hinreißenden „Komödie im Dunkeln“, in der er die Sehgewohnheiten einfach auf den Kopf stellte. Da er schon mit diesem genialen Kunstgriff, Licht und Dunkel zu vertauschen, Theatergeschichte geschrieben hatte, war zu erwarten, dass er auch alles andere, was er noch in Angriff nehmen würde, vergolden und jeden der begehrten Theaterpreise, die Londoner und New Yorker Theater zu vergeben haben, gewinnen würde.

In jedem seiner publikumswirksamen Stücke, die rund um den Globus gespielt wurden und werden, schrieb Shaffer Rollen, die sich hochkarätige und ambitionierte Schauspieler nicht entgehen ließen. So lesen sich die Namen der Protagonist*innen, die wie Michael Crawford und Lynn Readgrave bei ihrem Broadway-Debüt in „Komödie im Dunkeln“ in den von Shaffer geschriebenen Rollen brillier(t)en, wie das Who‘s-Who der Theater- und Filmstars.

Mit „Fünffingerübung“ wurde Peter Shaffer 1958 über Nacht zum Shootingstar. Das Stück, dessen Titel sich auf Klavierkompositionen bezieht, durch die die Geschicklichkeit aller fünf Finger einer Hand trainiert werden, wurde 1958 in London mit dem Evening Standard Drama Award geehrt und 1960 in New York mit dem begehrten Drama Critics‘ Circle Award als Bestes ausländisches Stück ausgezeichnet. In der Verfilmung von 1962, die in Deutschland nicht unter dem Originaltitel, sondern unter „Ein Fremder kam an“ lief, standen Rosalind Russell, Jack Hawkins und – in der wichtigen Rolle des Walter Langer – Maximilian Schell vor der Kamera.

Bekräftigt wurde Shaffers Ruf als einer der besten Dramatiker Großbritanniens durch die 1962 uraufgeführten, zu West-End-Hits gewordenen – meist zusammen gespielten – Einakter „Hören Sie zu!“ und „Geben Sie acht!“ mit Maggie Smith und dem Komiker Kenneth Williams. Auch dieses Einakter-Paar wurde verfilmt. Brian Bedford spielte die Hauptrolle in „THE PAD and How to Use It“. Der Originaltitel der 1972 angelaufenen „Geben Sie acht!“-Verfilmung mit Mia Farrow und Topol, der in Deutschland unter dem Titel „Ein liebenswerter Schatten“ lief, war „Follow me!“

Weltweite Anerkennung als einer der bemerkenswertesten und herausragendsten Dramatiker erreichte Shaffer mit seinen wohl brillantesten und bekanntesten Stücken „Equus“ und „Amadeus“. Obwohl beide Stücke von Obsession handeln, sind sie grundverschieden. Genau darin zeigt sich Shaffers kreative Vielseitigkeit und Souveränität und seine bewundernswerte Prägnanz, mit der er unterschiedlichste Stilmittel und Themen beherrscht und einsetzt.

Das 1973 am Broadway uraufgeführte Psychodrama „Equus“ mit Anthony Hopkins als Psychiater und Peter Firth als Alan brach nicht nur den Box-Office-Rekord, sondern räumte auch jeden nur möglichen Theaterpreis ab, u. a. wurde es 1975 mit dem Theater-OSCAR, dem TONY Award, als Bestes Theaterstück ausgezeichnet. Bei seinem Bühnendebüt 2007 schlüpfte Harry-Potter- Darsteller Daniel Radcliffe in die Rolle des Alan. In der Verfilmung waren in den Kategorien Bester Hauptdarsteller und Bestes adaptiertes Drehbuch Richard Burton bzw. Peter Shaffer sowohl für den OSCAR als auch für den BAFTA, den British Academy Film Award, nominiert. In der EURO-STUDIO-Landgraf-Produktion, die 1977 zu den Wiener Festwochen eingeladen wurde, spielte Will Quadflieg den Psychiater.

Will Quadflieg, der als Salieri am Hamburger Thalia Theater, wie Hellmuth Karasek in DER SPIEGEL 48/1989 berichtete, die »Hanseaten zum trampelnden Szenen-Applaus aus ihrer Zurückhaltung riss«, war in den Spielzeiten 1982/83 und 1983/84 auch der Salieri der EURO- STUDIO-Landgraf-Produktion „Amadeus“. Wie in „Equus“ konfrontiert Shaffer auch in „Amadeus“, diesem zweiten, ebenfalls zu einem Klassiker der Moderne gewordenen Welterfolg, mit Mozart und Salieri zwei ebenso fesselnde Protagonisten. Auch Shaffer glaubte, dass das mit dem begehrten Evening Standard Drama Award als Bestes Stück 1979 und dem Plays and Players‘ London Theatre Critics Award ausgezeichnete Stück mit Paul Scofield als Salieri und Simon Callow als Mozart (Regie: Peter Hall) zu den Londoner Presseund Publikumsfavoriten gehörte.

Ebenso erfolgreich wie „Equus“ wurde „Amadeus“ auf der anderen Seite des Atlantiks. Außer dem TONY Award als Bestes Stück gewann die Broadway-Inszenierung mit Ian McKellen, der als Nachfolger von Paul Scofield den Salieri spielte, den New York Drama Critics‘ Circle Award.

Mit François Périer als Salieri trat Roman Polanski 1982 – wieder in seiner eigenen Inszenierung, die ein Jahr vorher in Warschau Premiere hatte – als Mozart in Paris auf. 1999 führte er Regie bei der Produktion in Mailand. Von September 1998 bis Mai 2000 spielte David Suchet (der später für ein Millionen-TV-Publikum zum Synonym von Agatha Christies Privatdetektiv Hercule Poirot werden sollte) den Salieri. Wie bei „Equus“ adaptierte Shaffer auch bei „Amadeus“ sein Theaterstück selbst für die große Leinwand.

Die im Januar in Los Angeles verliehenen Preise, der Golden Globe und der Los Angeles Film Critics Association LAFCA, gelten als Vorboten für die OSCAR-Verleihung. Als Shaffers Drehbuch für den von Miloš Forman inszenierten Film „Amadeus“ von beiden Institutionen als Bestes Drehbuch ausgezeichnet wurde, war es keine große Überraschung mehr, dass er 1984 auch den OSCAR für das Beste adaptierte Drehbuch gewann.

Peter Shaffer, der 1993 von der University of Bath die Ehrendoktorwürde für Literaturwissenschaften (Doctor of Letters) erhielt, wurde – wie viele hochangesehene Schauspieler, Regisseure, Autoren und Produzenten vor ihm – 1994 von der Oxford University als Gastprofessor für Zeitgenössisches Theater berufen. 2007 wurde Shaffer, der 1998 eine Episode der beliebten Kult-Serie „Inspector Barnaby“ schrieb, in die American Theatre Hall of Fame aufgenommen.

Nachdem Peter Shaffer 1987 für seine herausragenden Verdienste um die Künste zum (dem Bundesverdienstkreuz entsprechenden) Kommandeur des Ordens des British Empire (CBE) erhoben worden war, wurde er im Mai 2001 von Königin Elisabeth II. zum Ritter geschlagen.

Der gefeierte in New York und London lebende Dramatiker Peter Shaffer starb 2016 im Alter von 90 Jahren.

Aktuelle Produktion: „Amadeus“

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Delio Malär

Der Senkrechtstarter erobert derzeit die deutschsprachigen Bühnen im Sturm. Der 1992 in Richterswil am Ufer des Zürichsee geborene Schauspieler spielte schon als Schüler der Stiftschule Einsiedeln Theater, lernte mehrere Instrumente und Sprachen und schrieb erste Songs für seine eigene Band, die er bei Rockshows aufführt. Nach seinem Abitur und dem Rekrutendienst ging er von 2011 bis 2015 zur Ausbildung an die Schule für Schauspiel Hamburg und machte seinen Abschluss mit Auszeichnung. Mit seiner siebenköpfigen Band „Love Rockets“ spielt er eine skurrile Show mit dem Titel „Tag der Helden“, im Programm sämtliche Cartoon-Introsongs der 80er, 90er, 2000er Jahre von Ghostbusters bis Pokémon, von Rider bis Sailor Moon. Ein Fest für eingefleischte Gamer wie auch für Cartoon-Fans. 2014 und 2018 schlüpfte Malär in die Rolle von Paul McCartney in „Backbeat – Die Beatles in Hamburg“ für das Altonaer Theater und die Festspiele in Heppenheim. Malärs stürmische und verspielte Musikerseite kommt bei dem Theaterkollektiv Cocodello voll zum Zuge. Im Doppel mit seiner ehemaligen Schauspieldozentin Cornelia Schirmer schrieb und komponierte er mehrere Musicals, die in Hamburg uraufgeführt wurden und auf Tourneen ging. Berühmt wurde 2016 die Eigenproduktion „Auf alten Pfannen lernt man kochen“ im Altonaer Theater. Thema ist eine schauspielerische und musikalische Schlacht um das Drama mit den Vorsprechrollen, die große Leidenschaft fürs Theater und die Tücken des Altersunterschieds in der Liebe. Mit dem Nachfolgestück „Auf der Bühne gehörst Du mir“ startete das Duo 2018 in den Hamburger Kammerspielen erneut durch. 2019 war Malär dort als charmanter Kellner in Dietmar Loefflers Liederabend „Pasta e Basta“ zu sehen, ein Part, der ihm wie auf den Leib geschneidert war. Bei dieser Rolle profitierte er nicht nur von seinem unglaublichen Musiktalent, sondern auch davon, dass er die italienische Sprache quasi mit der Muttermilch aufgesogen hat. Das kam ihm 2017 in der Doppelfolge der TV-Serie „SOKO München“ zugute, wo er in die Rolle des italienischen Neffen des Kommissars schlüpfte, der zwielichtige Geschäfte macht. Im Sommer 2019 stand Malär für seinen ersten Kinofilm „Platzspitzbaby“ vor der Kamera und trat am Rigiblick Theater in Zürich als Amadeus Mozart in dem vielfach preisgekrönten Theaterstücks von Peter Shaffer auf. Die Neue Zürcher Zeitung, NZZ, titelte am 26.2.2019 nach der Premiere: «Delio Malär ein Wunderkind.» Weiter schrieb Daniele Muscionico: «Er hat eine Traumrolle gefunden. Er spielt das Leben von Wolfgang Amadeus Mozart nach und zeichnet dabei eine rasante Entwicklung eines obszönen Kindes bis zum Tod. In der Todesszene, die Musiker spielen dazu das «Lacrimosa», ist Malär so anrührend, dass selbst der Regisseur sagt: Ich muss jedes Mal weinen. Die Rolle hat alles, was einen bewegten Abend ausmacht. In Delio Malär artikuliert sich Lebenslust pur und Spielfreude.» Mehr geht nicht, könnte man meinen, aber weit gefehlt! Für seine künstlerischen Leistungen und Erfolge im Jahr 2019 wurde Delio Malär für den Prix Walo in der Sparte Newcomer nominiert, der wichtigsten Auszeichnung im schweizerischen Showbusiness.
Aktuelle Produktion: „Amadeus“

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