Archiv der Kategorie: Biografien

Martin Lindow

Emotionale Gratwanderungen und größte schauspielerische Intensität verlangten die beiden „Tatort“-Rollen, in denen Martin Lindow im Abstand von nur etwas über einen Monat zu sehen war. Der Geistliche in dem Vater-Sohn-Drama „Borowski und das Haus am Meer“ gehört zu den Rollen, die er besonders gerne annimmt, weil sie ein Geheimnis haben, das erst sehr viel später aufgelöst wird. Eine Figur von solcher Verlorenheit wie der traumatisierte Pfarrer, der mit seinen eigenen Dämonen ringt, kann so wohl nur von ihm gespielt werden. Und auch bei „Unklare Lage“, dem auf den Kieler folgenden Tatort München, der von 9,41 Millionen Zuschauern gesehen wurde, schien es so als hätte die Rolle des Vaters eines jungen Attentäters auf ihn gewartet. Der Schauspieler, der sein Handwerk von 1986-1989 an der Folkwang Universität der Künste in Essen gelernt hat, hat das Glück als junger Schauspieler bei seinen ersten Engagements an den Schauspielhäusern Essen (1986-1989), Düsseldorf (1989-1993) und Hamburg (1993-1995) von erfahrenen Regie-Koryphäen wie z.B. Hansgünther Heyme, Kurt Hübner, Hansjörg Utzerath, Elke Lang bei der Erarbeitung von klassischen und zeitgenössischen Stücken wie Shakespeares „Troilus und Cressida“, Sartres „Die schmutzigen Hände“, Brechts „Mutter Courage“, Edward Bonds „Gerettet“ oder Albees „Zoogeschichte“ an die Hand genommen zu werden. Ab 1998 führen ihn Gastengagements u. a. an das Nationaltheater Luxemburg, an das Bochumer und das Schauspielhaus Zürich und zu den Nibelungen Festspielen in Worms. Obwohl Martin Lindow am liebsten Rollen spielt, die auf unkonventionelle Art eine besondere Spannung erzeugen, und er seine Film- und TV-Angebote ebenso sorgfältig auswählt wie seine Theaterfiguren, ist die Liste seiner am 6.10.1994 mit „Die Kommissarin“ (die Titelrolle spielt Hannelore Elsner) beginnenden Auftritte in diesen Medien lang und vielfältig. Der erste Karrieren-Paukenschlag folgt schon ein halbes Jahr später: Für die Hauptrolle des Kleinstadtpolizisten Sigi Möller in der Auftaktfolge von „1A Landeier“ der zwischen 1994 und 2003 gedrehten „POLIZEIRUF 110“-Krimis wird er 1996 mit dem Grimme- Preis als Bester Hauptdarsteller ausgezeichnet. Prominente Partnerin in der von Ulrich Stark inszenierten Serie ist u. a. die 80-jährige Inge Meysel. Parallel zu allen von Stark inszenierten „POLIZEIRUF“-Folgen dreht er mit ihm die 1997 ausgestrahlten Krimikomödie „Diamanten küsst man nicht“ (er spielt einen schüchternen Alarmanlagen-Spezialisten in den sich die Juwelendiebin Meret Becker verliebt), 1998-1999 zehn Folgen in der von der Presse hochgelobten Krimireihe „Die Straßen von Berlin“ mit u. a. Uwe Ochsenknecht, Peter Lohmeyer, und zwischen 1999-2001 36 Folgen der Kultserie „Der Fahnder“. Für die Titelrolle wird er als Bester Schauspieler in einer Serie 2001 für den Deutschen Fernsehpreis nominiert, verliert aber gegen Oliver Stokowski mit dem er später im Schauspielhaus Zürich gemeinsam das LaBute Schauspiel „das maß der dinge“ spielen wird. Natürlich hat sich der wandlungsfähige Schauspieler als Gaststar inzwischen durch alle populären TV-Formate von den SOKOs über, „Alarm für Cobra 11“, „Die Chefin“, „Pastewka“ bis zu „Der Bergdoktor“ gespielt. Quotenbringer waren natürlich Serien wie die 39 Folgen „Rennschwein Rudi Rüssel“ (2008–2010) und die 16 Folgen von „Henker und Richter“ (2011/2012). Mit dem EURO-STUDIO Landgraf ging Martin Lindow erstmals 2002/2003 auf Theatertournee. Weil er so viel gedreht hatte, war die Rolle des geheimnisvollen Osvald in „Bungee Jumping oder Die Geschichte vom goldenen Fisch“ genau die Herausforderung, die er für seine Theaterrollen sucht. Jaan Tättes preisgekröntes Stück verlangt durch die Mischung aus Märchen und Psychothriller eine hohe Präsenz und Eindringlichkeit, um die Spannung bis zum dramatischen Schluss aufrecht zu erhalten. Ab Januar 2006 war er als Milo/Kriminalinspektor Doppler in dem Psycho-Thriller „Revanche“ von Anthony Shaffer zu sehen. Der vertrackte Reiz dieser begehrten Doppelrolle besteht darin, die darstellerischen Nuancen so variantenreich einzusetzen, damit die notwendigen Informationen so weitergegeben werden, als würden sie das Wichtigste noch verbergen. In keiner der vielen Aufführungen, die wir gesehen haben, wurde die Rolle des Tom in Neil LaButes „Fettes Schwein“ so verzweifelt zerrissen und so nah am emotionalen Abgrund gespielt, wie in der Interpretation von Regisseur Volker Hesse und Martin Lindow. Nach dieser 2009 mit dem 3. INTHEGA-Preis ausgezeichneten Produktion, in der der Traum von einer großen Liebe zum Trauma wird, werden auch in ihrer zweiten Zusammenarbeit bei „Wunschkinder“ von Lutz Hübner und Sarah Nemitz die Bruchstellen in dem Alles-im-Griff-haben-Lebensprinzip von Lindows Familienvater Gerd sichtbar gemacht. Dass er auch ein hervorragender Komödiendarsteller ist, beweist er in dem für den INTHEGA-Preis 2014, 2015 und 2016 nominierten Komödienhit „Der Vorname“ von Delaporte/de la Patellière sowie (2015–2017) in Neil Simons ebenfalls von „POLIZEIRUF“-Regisseur Ulrich Stark inszenierten Komödienklassiker „Der letzte der feurigen Liebhaber“. Um die Rollen in dem Komödienhit „Der Vorname“ haben sich die besten Schauspieler gerissen. Martin Lindow hat das Glück, beide männlichen Hauptrollen zu spielen: Zuerst 2013 im Renaissance-Theater Berlin den Pierre und anschließend beim EURO-STUDIO Landgraf den Vincent. Für beide Rollen, die ganz unterschiedliche Temperamente haben, muss man das Boulevardhandwerk virtuos beherrschen. Vincent hat er lieber gespielt, weil er mehr Spielwitz und ironische Distanz braucht, um neben den provozierenden auch die leisen Momente zu spielen.
Seit Januar 2024 kann Martin Lindow seine bemerkenswerte Wandlungsfähigkeit, seine intensive Bühnenpräsenz und sein exaktes Timing bei der Gestaltung komplexer Charaktere in der schauspielerisch herausfordernden Mammut-Traumrolle des Mafia-Staranwalts Björn Diemel im ersten Band des allein in Deutschland etwa 1,5 Millionen Mal verkauften, schwarzhumorigen Krimi-Bestsellers „Achtsam morden“ von Karsten Dusse zeigen.

Aktuelle Produktionen: „Achtsam morden“

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Marion Kracht

Die in München geborene Marion Kracht ist die Tochter von Fritz André Kracht, der nicht nur als Autor, Filmmacher und Übersetzer tätig war, sondern auch einer der wenigen deutschen Künstler war, die mit Polaroids arbeiteten. Für seine als Polagrafien bezeichneten Kunstwerke wurde er international hochgeachtet.
Bereits seit ihrem fünften Lebensjahr ist Marion Kracht vor der Kamera und auf der Bühne zu Hause, z. B. schon während ihrer Schulzeit in der Kinderserie „Das feuerrote Spielmobil“. Sie ist dem Publikum durch Rollen in hunderten von erfolgreichen Reihen und Filmen wie „Diese Drombuschs“, „Der Havelkaiser“, „Der Usedom-Krimi“, „Liebe, Babys“, „Familie Sonnenfeld“, „Das Traumschiff“, „Dr. Kein“ etc. bekannt und wirkte auch in vielen internationalen Produktionen mit, außerdem in der hochgelobten Serie „Babylon Berlin“. Mehrfach spielte sie in Filmen des Schweizer Regisseurs Dani Levy, darunter in dem mit dem Prädikat besonders wertvoll ausgezeichneten Film „Väter“ (2001), in der Hitler-Parodie „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ (2006) mit Helge Schneider als Adolf Hitler und in der Komödie „Das Leben ist zu lang“ (2009). Für ihre Rolle Lore in dem international beachteten Kinofilm „Schlaf“ (Regie: Michael Venus) war sie für den Deutschen Schauspielpreis in der Kategorie Beste Schauspielerin in einer Nebenrolle nominiert.
Bevor sie in der Serie „Christian und Christiane“ zum ersten Mal eine Erwachsenenrolle spielte nahm Marion Kracht trotz ihrer großen Bühnenerfahrung Schauspielunterricht in München bei Ursula Neureuther, in New York bei dem österreichisch-US-amerikanischer Schauspieler und Regisseur Herbert Berghoff sowie Uta Hagen und absolvierte 1991 mehrere Kurse bei Keith Johnstone, dem Begründer des modernen Improvisationstheaters.
Ebenso wandlungsfähig wie auf der Leinwand präsentiert sich die Schauspielerin, wenn sie vom Film- und Fernsehset auf die Bühne wechselt. Sie war an diversen Theatern in zahlreichen Rollen zu Gast: u. a. im Ökothriller „Die Kinder“ an den Hamburger Kammerspielen, in „Auf ein Neues“ an der Komödie am Kurfürstendamm sowie auf Tournee, in „Einfach tierisch“ am Schlosspark Theater Berlin sowie in „Hundewetter“ und „Willkommen bei den Hartmanns“ an der Komödie am Kurfürstendamm. Hier feierte sie auch ihr 50-jähriges Berufsjubiläum. Im Jahr 2000 stand sie bei den Festspielen in Bad Hersfeld als Wolfgang Seidenbergs Buhlschaft im „Jedermann“ auf der Bühne. Darüber hinaus kann bzw. konnte man sie z. B. im Renaissance-Theater in Berlin, in der Komödie im Bayerischen Hof München, in Bonn beim Contra-Kreis-Theater oder in der Hamburger Komödie Winterhuder Fährhaus erleben. In sehr unterschiedlichen Hauptrollen lernte man sie in Produktionen der Theatergastspiele Kempf kennen u. a. in Sartres „Geschlossene Gesellschaft“, „Schmetterlinge sind frei“ von Leonard Gershe oder in Shaws 1992 mit dem 3. INTHEGA-Preis ausgezeichneten Komödie „Pygmalion“.
Als gehörlose Sarah stellte sie ihr Können in der mit dem 1. Preis der INTHEGA ausgezeichneten Produktion „Gottes vergessene Kinder“, für die sie Gebärdensprache lernte, besonders eindrucksvoll unter Beweis.
Im Zusammenhang damit und für ihr breitgefächertes soziales Engagement wurde sie 2002 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Auf Grund ihres besonderen sozialen Engagements war sie zwei Jahre lang stellvertretende Vorsitzende des Innovationsbeirats des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Darüber hinaus ist sie Mitglied bei der Berliner Tafel, unterstützt die internationale Umweltschutzorganisation SeaCology und ist seit 2009 Kuratoriumsmitglied beim Kinderhilfswerk Plan International, bei dem sie sich seit 25 Jahren engagiert und mehrere Patenkinder hat. Seit Januar 2020 ist sie Gastgeberin des Podcasts „Menschenskinder“ von Plan International, Deutschland. Sie setzt sich für den Klimaschutz ein und entwarf für das renommierte ÖkoLabel LANA zwei vegane Kollektionen (Winter 15/16, Sommer 16). Die überzeugte Vegetarierin veröffentlichte zwei Kochbücher: „Kracht kocht“ und „Kracht kocht weiter“.
Zuletzt war Marion Kracht an der Komödie am Kurfürstendamm in „Schöne Bescherungen“ unter der Regie von Folke Braband zu erleben. Zurzeit dreht sie für die ARD-Reihe „Nord bei Nordwest“.
Aktuelle Produktionen: „Und wer nimmt den Hund?“

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