Blind

EURO-STUDIO Landgraf / Schauspielbühnen in Stuttgart, Altes Schauspielhaus
BLIND („Blind“)
Schauspiel von Lot Vekemans
Deutsch von Eva M. Pieper und Alexandra Schmiedebach

ca. 28. Oktober – 12. November 2026
ca. 23. Februar – 10. März 2027

Mit Peter Kremer, Lisa Wildmann

2 Mitwirkende

Regie: Karin Eppler

Uraufführung: 21.10.2023, Verkadefabriek Den Bosch
Deutschsprachige Erstaufführung: 28.11.2024, Residenztheater München
Aufführungsrechte: Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH

Spieldauer:
ca. 2 Stunden inkl. Pause
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Inhalt
Das »well-made Konversationsstück wird bald an zahlreichen Bühnen zu sehen sein«, prophezeit Detlev Baur am 29.11.2024 in Die Deutsche Bühne über den vielschichtigen, emotional berührenden Vater-Tochter-Konflikt. „BLIND“ , das neue Stück der in über 35 Ländern aufgeführten und in 22 Sprachen übersetzten Lot Vekemans, trifft durch seine universelle und aktuelle Thematik den Nerv der Zeit. Die Autorin stellt die Frage, ob es möglich ist, jemanden zu lieben, dessen Überzeugungen man ablehnt.

Richard, der einst Staudämme und Aquädukte baute, lebt nach dem Tod seiner Frau zurückgezogen in einer Wohnanlage. Weil er ihre politischen Ansichten ablehnt, hat er den Kontakt zu seiner Tochter Helen, einer Anwältin, die mit einem schwarzen Schriftsteller verheiratet ist, abgebrochen. Umso schwerer fällt es ihm, sie um Hilfe zu bitten, weil er fast nichts mehr sieht und nicht mehr allein leben kann. Zwei unvereinbare Lebensentwürfe, die für beide ein Zusammenleben lange ausgeschlossen haben, prallen aufeinander. Keiner von beiden konnte oder wollte bisher eine Brücke zum anderen bauen.

Beide sind blind – blind für die Perspektive des anderen, blind für die Verletzungen, die sie einander zugefügt haben … bis eine vorsichtige Annäherung beginnt, durch die sie allmählich die Beweggründe, Ängste und Wünsche des anderen erkennen – und erstmals Verständnis füreinander aufbringen.

Zur Inszenierung
Die Figuren in den Theaterstücken von Lot Vekemans sind nie leicht zu durchschauen. Unter der Oberfläche schlummert ein Geheimnis, etwas das die Figuren umtreibt und beschäftigt, das erst im Verlauf des Stückes klarer zu fassen ist. So verhält es sich auch in „Blind“ – und das macht die Beschäftigung mit diesem Text für die Regisseurin Karin Eppler, das Ensemble und das Publikum so reizvoll. Einige Details deuten darauf hin, dass die Autorin „Blind“ im Südafrika der Gegenwart angesiedelt hat. Gleichzeitig verzichtet sie jedoch auf sämtliche Angaben zu Ort und Zeit und betont somit das Allgemeingültige dieses Schauspiels, zumal es auch zunehmend „Gated Communities“, den Spielort des Stücks, in Europa gibt. Diese Allgemeingültigkeit ist es, die die Regisseurin Karin Eppler bei ihrer Inszenierung vor allem interessiert: ein Vater-Tochter-Konflikt, dessen Themen weit über die innerfamiliäre Auseinandersetzung hinausgehen. In der Familie, der kleinsten gesellschaftlichen Einheit, prallen konträre Ansichten aufeinander und sukzessive wandelt sich die Dimension vom Privaten ins Politische. Indem die Figuren in eine unausweichliche Situation gebracht werden, sind sie gezwungen, miteinander zu sprechen und sich gegenseitig
zuzuhören. Im Stück und in der Inszenierung erhält die Kommunikation dadurch eine besondere Kraft. Sie kann eine heilende Wirkung entfalten, wenn auch nicht für die großen gesamtgesellschaftlichen und weltpolitischen Probleme, so doch zumindest für das Zwischenmenschliche. Die Gräben werden überwindbar. Der inszenatorische Schwerpunkt lag daher
auf der psychologisch genauen Figurenzeichnung und auf der sehr feinen, differenzierten Spielweise von Lisa Wildmann und Helmut Zierl. Die Bühnen- und Kostümbildnerin Vesna Hiltmann hat für „Blind“ einen Bühnenraum gestaltet, der realistisch und abstrakt zugleich ist: Richards Wohnzimmer, abgeschottet von der Außenwelt, das in seiner Großzügigkeit, der überdimensionierten Schrankwand und den genau ausgesuchten Designermöbeln den Wohlstand des Bewohners einer exklusiven Wohnanlage erahnen lässt. Doch auch dieser Raum birgt ein Geheimnis. Durch eine überraschende Verwandlung herrscht plötzlich eine klaustrophobische Enge, die die Unausweichlichkeit der Auseinandersetzung zwischen Helen und Richard spürbar macht. Der Einsatz von Licht und Ton verstärkt diesen Effekt zusätzlich. Außerdem versinnbildlicht die Lichtgestaltung zwischen den Spielszenen Richards Wahrnehmung seiner Außenwelt, die sich
durch den zunehmenden Verlust seines Augenlichts verändert. Das klare Kostümbild von Vesna Hiltmann unterstreicht den psychologisch-realistischen Spielstil der gesamten Inszenierung.
Text: Susanne Schmitt


Premierenfeier im Alten Schauspielhaus Stuttgart und 50. Bühnenjubiläum von Helmut Zierl

Pressestimmen zur Koproduktion EURO-STUDIO Landgraf / Schauspielbühnen in Stuttgart, Altes Schauspielhaus

Die viel gespielte und preisgekrönte niederländische Autorin lässt eine Tochter und ihren Vater mit Macht aufeinander prallen. (…) Karin Eppler (Regie) hat das sperrige Verhältnis der beiden sorgfältig inszeniert, bis in sprechende Details der Personenführung. (…) Der sehr genau und sensibel agierende Helmut Zierl konnte am Abend der Premiere übrigens sein fünfzigstes Bühnenjubiläum feiern.
STUTTGART Cord Beintman, Stuttgarter Zeitung, 22.9.2025

Chancengleichheit, Verteilungsgerechtigkeit, Klimawandel, ökologischer Raubbau, Rassismus – und allem voran der Generationskonflikt: Die Gegenwartsthemen-Checkliste in Lot Vekemans‘ Vater-Tochter-Stück kennt kaum eine Lücke.
(…) In ihrer Inszenierung für das Alte Schauspielhaus fokussiert Karin Eppler auf psychologisch motivierte Figurenzeichnung und kann sich dabei auf das differenzierte, feinnervige Spiel ihres Darstellertandems verlassen (…).
STUTTGART Harry Schmidt, Ludwigsburger Kreiszeitung, 22.9.2025

Pressestimmen zur DSE in München

Das Markenzeichen der meistgespielten niederländischen Dramatikerin Lot Vekemans sind kleine Kammerspiele über große Themen. Köhler und Zapatka verwandeln den glasklaren Dialog in schauspielerische Gravitationswellen. Die zurückhaltende Inszenierung unterstützt sie geradezu aufdringlich. Und das Beste ist: Am Ende ist nichts gelöst.
MÜNCHEN Martin Jost, nachtkritik, 29.11.2024

„Blind“ ist ein well-made Konversationsstück, in dem die Hass-Liebe zwischen (Einzel-)Kind und verwitwetem Vater wie in einem Ibsen-Drama entrollt wird – ohne dass es die ganz große Katastrophe in der Vergangenheit gegeben zu haben scheint. Dabei gelingt es der Autorin über Familienkonflikte hinausgehende Fragen der Gegenwart organisch einzufügen. (…) Das unaufwendige und vielschichtige Stück wird nach der Uraufführung durch die Autorin in den Niederlanden und nach dieser deutschsprachigen Erstaufführung in München Karriere machen.
MÜNCHEN Detlev Baur, Die deutsche Bühne, 29.11.2024

Es ist ein großartiger Text, entgrätet von allem Gelaber und damit bestens zur Abstraktion geeignet: Konflikte zwischen Generationen, das Abschotten zwischen weltanschaulichen Blasen, die Konkurrenz zwischen divergierenden Konzepten, all das verdichtet sich wie selbstverständlich in dieser dramatischen Hülle zum Dialog. (…) Ein kluger, berührender Theaterabend zur rechten Zeit.
MÜNCHEN Sabine Busch-Frank, Donaukurier, 2.12.2024

Vekemans, eine Meisterin des Nicht-Gesagten, legt im Laufe dieses Stücks einige Fährten, macht das Publikum zu Pfadfindern durch diese beiden Leben und ihre Irrwege. Einiges klärt sich auf, anderes bleibt einfach so stehen. Durch diese Familie ging ein Bruch, als Helen einen Mann heiratete, der »anders« ist. »Ich rede von anders«, sagt Richard. »Und du meinst geringer«, erwidert Helen. Ohne je wirklich konkret zu werden, erzählt Vekemans von einer Gesellschaft, in der es zwei Gruppen von Menschen gehört, ein »wir« und »die anderen«. Eine Gesellschaft, die geteilt ist, bestimmt von Angst und Misstrauen. In der das Wasser knapp ist und der Sinn für Solidarität noch knapper. Die Angst Richards vor Überfällen auf sein Zuhause scheint unbegründet, die realen Gefahren sind abstrakter und umfänglicher. Vor ihnen schließt er die Augen, für sie ist er blind.
MÜNCHEN Anne Fritsch, Abendzeitung München, 29.11.2024

Starkes Zwei-Personen-Stück
Das jüngste Stück der niederländischen Dramatikern Lot Vekemans lotet nicht nur unsentimental den schwierigen Umgang mit hilfloser werdenden Eltern aus, und das auch noch in einer zerrütteten Familie, sondern weist darüber hinaus auch allgemein auf die Unfähigkeit der Menschen, sich miteinander zu verständigen.
MÜNCHEN Christiane Wechselberger, 5.12.2024