Archiv der Kategorie: Nachrufe

Nachruf: Wir trauern um Reinhild Solf und Hans Hollmann

Nur wenige Wochen nach seiner Frau, der Schauspielerin und Autorin Reinhild Solf, ist auch ihr Mann, der Schauspieler, Theater- und Opernregisseur, Intendant (in Basel 1975-1978 ) Professor Dr. Hans Hollmann gestorben. Beide Künstler haben unsere Theaterarbeit über viele Jahre begleitet.

Hans Hollmann (Copyright Hans Hollmann) Professor Hans Hollmann (1933 – 2022) – Copyright Hans Hollmann

Schon Hollmanns erste Regiearbeit für das EURO-STUDIO Landgraf, das in den Jahren1915 bis 1922 entstandene Jahrhundertwerk „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus, ist unvergessen geblieben. Susi Nicoletti, Peter Matić, Nikolaus Paryla und er selbst standen 1980/81 in seiner hochkonzentrierten und detailgenauen Inszenierung auf der Bühne. Über 30 Jahre später, als sich 2014 der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal jährte, präsentierte er das als Reaktion auf diesen Krieg geschriebene Antikriegsdrama erneut an festen Häusern und bei uns auf Tournee mit einer szenischen Lesung.

Reinhild Solf wurde als Toni in Franz Peter Wirths TV-Serie „Die Buddenbrooks“ überregional bekannt. Die erste Rolle, die die an ersten Staatstheatern engagierte Schauspielerin ab 1991/92 über mehrere Spielzeiten bei uns spielte, war die überkorrekte Lotte in Peter Shaffers „Laura und Lotte“, die von der überbordenden Fantasie der von Doris Kunstmann gespielten Laura angesteckt wird. Die beiden Protagonistinnen standen dann vom Herbst 2014 bis Januar 2017 als Margot Honecker (Solf) und Imelda Marcos (Kunstmann) wieder gemeinsam in einer sehr kurzweiligen Hollmann-Inszenierung auf der Bühne. Seine wie gewohnt präzise Regie förderte jede bitterböse Nuance im giftigen Dialog der Ex-Diktatoren-Gattinnen in Theresia Walsers bitterböser Komödie „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ zu Tage.

Reinhild Solf 2016/17 - Copyright Oliver Fantitsch Reinhild Solf als Margot (Honecker) in Hans Hollmanns Inszenierung von Theresia Walsers Stück „Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel“ – Copyright Oliver Fantitsch

Die letzte Rolle, die Reinhild Solf bei uns spielte, war 2000/2001 die schon durch die bewusst eingesetzte facettenreiche Körpersprache Angst einflößende Schwester Ratched in Dale Wassermanns Kultstück „Einer flog über das Kuckucksnest“.

Dieser dankbare Rückblick auf die beiden außergewöhnlichen Künstler, mit denen uns viele immer anregende Gespräche und Diskussionen nicht nur vor, während und nach einer Produktion, sondern bei jeder Begegnung verbinden, soll mit einer Theater-Sternstunde abgeschlossen werden: Im Herbst 1997 fand unsere überregional beachtete Premiere des im Untertitel „Heimatabend“ genannten Stücks „Wartesaal Deutschland StimmenReich“ statt. Unterstützt von den u.a. von seiner Frau mit hoher Wandlungsfähigkeit charakterisierten divergierenden Figuren, verknüpft Hollmann in einem so komischen wie anrührenden Balanceakt die von Autor Klaus Pohl fünf Jahre nach dem Mauerfall gesammelten 27 deutsch-deutschen Stimmungsbilder. Auch diese gemeinsame Arbeit von Reinhild Solf und Hans Hollmann für das EURO-STUDIO Landgraf macht deutlich, welches künstlerische Potential für das Theater für immer verloren ist.

Hans Hollmann, der dem modernen Theater viele neue Impulse gab, wird in Erinnerung bleiben als einer, dessen Inszenierungen Theatergeschichte geschrieben haben.

Nachruf:
Wir trauern um Fred Berndt

Der Regisseur, Bühnenbildner und Autor Fred Berndt ist tot. »Besonders seine Bühnenbilder setzten für den Gastspielbetrieb immer wieder neue Maßstäbe und haben uns oft an die Grenzen des Möglichen gebracht. Zu dieser Bühnenästhetik gehörten auch die von ihm für die jeweiligen Produktionen gestalteten Plakate«, erinnert sich Joachim Landgraf, und ergänzt: »Wir hatten noch gemeinsame Pläne. Fred Berndt wird uns fehlen.«

Fred Berndt, in Cottbus geboren, aufgewachsen in der »Lessingstadt« Kamenz in Sachsen, studierte Bühnenbild bei dem legendären Prof. Willi Schmidt an der der Hochschule für Bildende Künste Berlin (UdK). Es folgten Bühnenbildassistenzen in Berlin an der Freien Volksbühne und der Schaubühne am Halleschen Ufer u. a. bei Karl Ernst Herrmann. Außerdem war er Regieassistent an der Schaubühne am Halleschen Ufer bei Peter Stein und Klaus Michael Grüber. Von 1971 bis 1973 war er Bühnenbildner am Theater am Turm (TAT) Frankfurt/Main, danach von 1974 bis 1976 am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Als Bühnenbildner arbeitete er u. a. für Adolf Dresen, Prof. August Everding, Ullrich Heising, Alfred Kirchner, Peter Löscher, Hagen Müller-Stahl, Wolfgang Wiens, George Tabori und B. K. Tragelehn. In der Spielzelt 1985/1986 war er Ausstattungsleiter der Staatlichen Bühnen Berlin. Sein erstes Opernbühnenbild entwarf er 1974 für Mozarts „Cosí fan tutte“ an der Frankfurter Oper (Dirigent: Christoph Dohnanyi, Regisseur: Andreas Fricsay). 1975 gab er sein Regiedebüt mit Brechts „Die Kleinbürgerhochzeit“ im Nationaltheater Mannheim. 1987 war seine Inszenierung „Jedem seine eigene Wildnis“ von Doris Lessing zum renommierten Thea­tertreffen in Berlin eingeladen. Fred Berndt arbeitete als Regisseur und Büh­nenbildner an nahezu allen großen Theatern Deutschlands, darüber hinaus in Wien am Burg- und Akademietheater, am Volkstheater und am Theater in der Josefstadt, in Zürich am Schauspielhaus und am Theater am Neumarkt und in Basel. Seit 1991 widmete er sich zunehmend auch dem Mu­siktheater. Seine Inszenierung „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“ von Detlef Glanert erhielt den Bayerischen Theaterpreis in der Sparte Oper 2001. Seit seiner ersten Themenausstellung „Alt&Jung – das Aben­teuer der Generationen“ im Deutschen Hygiene-Museum Dresden arbeitete Fred Berndt kontinuierlich als Gestalter und Dramaturg für große Ausstel­lungsprojekte und Rauminszenierungen an namhaften Museen.

Für das EURO-STUDIO Landgraf schuf Fred Berndt seit vielen Jahren erfolgreiche und immer wieder preisgekrönte Regien und Räume:

  • 1995 „Oleanna“ von David Mamet mit Hans Peter Korff (Professor) und Christiane Leuchtmann (Carol, Studentin)
  • 1996 „»KUNST«“ von Yasmina Reza mit Peter Striebeck (Yvan), Michael Altmann (Marc) und Wolfgang Kraßnitzer (Serge)
  • 1997 „Molley Sweeney“ von Brian Friel nach einem Fall des Neurologen Oliver Sacks mit Charles Brauer (Augenarzt), Giulietta Odermatt in der Titelrolle und Uwe Bertram (ihr Ehemann).
  • 1998 „Rätselhafte Variationen – Enigma“ von Eric-Emmanuel Schmitt mit Peter Bongartz (Schriftsteller Abel Znorko) und Carsten Klemm (Journalist Erik Larsen), INTHEGA-Preis 1998
  • 1999 „Kopenhagen“ von Michael Frayn mit Peter Striebeck (Niels Bohr), Maria Hartmann (Margrethe Bohr) und Peter Schröder (Werner Heisenberg), INTHEGA-Preis 2000
  • 2005 „Die Nacht der 1000 Fragen WOHIN GEN“ nach dem 1000 Fragen-Projekt der Behindertenhilfe „Aktion Mensch“. Bühnenfassung von Heike Zirden mit Manfred Zapatka, Ralf Schermuly, Giulietta Odermatt, Monika Herwig, zwei Gebärdendolmetscherinnen u. a.
  • 2001 „Sommersalon“ von Coline Serreau mit Manfred Zapatka, Monika Herwig, Christine Klein, Kai Frederic Schrickel u. a.
  • Seit 2017 im Spielplan „»KUNST«“ von Yasmina Reza mit Heinrich Schafmeister (Yvan), Leonard Lansink (Marc) und Luc Feit (Serge) Nominiert für den INTHEGA-Preis DIE NEUBERIN 2017, 2019 und 2020

Wer noch einmal die Chance nutzen möchte, eine der außergewöhnlichen Arbeiten von Fred Berndt zu sehen: „»KUNST«“ ist zum letzten Mal vom ca. 12.1.2021 bis 10.2.2021 im Spielplan der Konzertdirektion Landgraf.