Endlose Aussicht

Produktion Kunstfest Weimar
(Künstlerische Leitung: Rolf C. Hemke) /
EURO-STUDIO Landgraf
ENDLOSE AUSSICHT
Schauspiel von Theresia Walser

Einzeltermine nach Absprache in der ganzen Spielzeit möglich

Mit Judith Rosmair

Regie: Judith Rosmair & Theresia Walser
Dramaturgische Begleitung: Rolf C. Hemke & Marlies Kink
Video: Theo Eshetu

Uraufführung: 3. September 2020
Alte Feuerwache Weimar, im Rahmen des Kunstfests Weimar 

02.09.2020 Weimar: "Endlose Aussicht" von Theresia Walser mit Judith Rosmair im Rahmen des Kunstfest Weimar. Foto: Thomas Müller

Ferien auf dem Seuchendampfer
Jona sitzt in ihrer Kabine vor ihrem Frühstücksei. 10 Tage Rundreise Pazifik, Panamakanal, Karibik. Ihre Geschwister haben ihr diese Kreuzfahrt geschenkt. Nur dass die Reise längst vorbei ist. Und sie noch immer hier sitzt: 38 oder 40 Tage? Wobei sie nicht sicher ist, ob es bereits wieder Abend ist. Zum Ei ein Schlückchen Weißwein, da macht man nichts verkehrt. Schließlich verschwimmen die Zeitzonen in diesen Gewässern. Und was bedeutet schon Zeit angesichts dieser endlosen Brühe da draußen? Immerhin hat sie eine Einzelkabine, zwar ohne Fenster, aber mit Kabelfernsehen! Selbst das Meer geht ihr inzwischen auf die Nerven. Mit ihrem Smartphone versendet Jona Nachrichten, Lebenszeichen, Berichte von einem Schiff, das seit Wochen auf dem Meer herumtreibt wie ein riesiger fauler Backenzahn. Ihr Monolog kennt viele Stimmen: Sie redet nicht nur mit sich, sie redet mit allen, die nicht mehr um sie sind. Längst ist sie Teil einer Kreuzfahrtgesellschaft, die sich an die monströse Normalität gewöhnt hat. Zum Glück ist auch das Glück eine Erfindung!

Theresia Walser ist eine der erfolgreichsten Dramatiker*innen ihrer Generation. Der Text wird von Judith Rosmair zum Leben erweckt, die bereits als Protagonistin an vielen der führenden deutschsprachigen Bühnen zu sehen war. Für das Videodesign zeichnet der DOCUMENTA-Künstler Theo Eshetu verantwortlich.

Online-Beitrag von MDR Kultur:
Globalisierung und Spaßgesellschaft – Theresia Walsers „Endlose Aussicht“
Am Freitag, den 11.09.2020 sendet das ZDF einen Beitrag um 23 Uhr in aspekte.

02.09.2020 Weimar: "Endlose Aussicht" von Theresia Walser mit Judith Rosmair im Rahmen des Kunstfest Weimar. Foto: Thomas MüllerPressestimmen

„Endlose Aussicht“ offenbart mit einer großartigen Darstellerin beklemmende Aktualität
Dann plötzlich diese rätselhafte Seuche, Menschen starben, das ganze Schiff unter Quarantäne. Und jetzt sitzt Jona (alias die großartige Judith Rosmair) in Endlosschleife mit Frühstücksei und Weißwein in ihrer fensterlosen Einzel-Innenkabine fest. (…) Zwei kongenial miteinander verbandelte Künstlerinnen – Theresia Walser und Judith Rosmair – haben in einem Ein-Personen-Stück nahezu sämtliche Lebens-Katastrophen gebündelt. (…) Bar jeglicher Requisiten – aber grandios untermalt von raumgreifenden Videos des renommierten Installationskünstlers Theo Eshetu.
OBERSTDORF Rosemarie Schwesinger, Allgäuer Zeitung, 16.2.2022

Was die Besucher fesselt, ist die Angst, die jeder mit sich herumträgt, aber verdrängt. (…)  „Endlose Aussicht“ ist mehr als ein Corona-Stück, auch wenn es während des ersten Lockdowns in Rosmairs Wohnzimmer entstand und unter Pandemiebedingungen in einem Autokino uraufgeführt wurde. Der Stillstand ermöglicht Nahaufnahmen von uns selbst. In der Isolation kommen wir uns nah.
GÜTERSLOH (wh), Die Glocke, 13.9.2021.

Viel Applaus und Bravorufe
Theresia Walser Sprache fängt überaus präzise und anschaulich Jonas Gedanken ein: Und Judith Rosmair äußert sie mit unglaublicher Aussagekraft. (…) Die Schauspielerin eröffnet mit ihrer variationsfähigen Stimme und mit der bildhaften Körpersprache den Blick in ihr unentrinnbares Gefängnis und zugleich in ihr Inneres, das so viel Aufschluss gibt über dieses Leben, in dem das Gewohnte, das „Normale“, allmählich entgleitet.
VILLINGEN-SCHWENNINGEN garai, Südwest-Presse, 16.7.2021.

Kunstfest Weimar: Auf dem trunkenen Schiff
Judith Rosmair spielt Theresia Walsers Monolog
„Endlose Aussicht – Ferien auf dem Seuchendampfer“

Michael Helbing (Thüringer Allgemeine, 06.09.2020)
Weimar. Ein Harald-Juhnke-Bonmot erlebte im Corona-Frühjahr neue Konjunktur: „Meine Definition von Glück? Keine Termine und leicht Einen sitzen.“ Insofern müssten wir uns Jona als glücklichen Menschen vorstellen. Doch weit gefehlt. „Das ganze Unglück der Menschheit“, erklärt uns Jona, „rührt daher, dass es der Mensch nicht mit sich allein in einem leeren Zimmer aushält.“ Genau das aber ist die Aufgabe. Jona – das verweist auf den biblischen Propheten, den ein Wal verschluckte. Doch sehen wir hier eine alleinstehende Frau, die von der Zeit verschluckt wird. Jona befindet sich auf Kreuzfahrt, 32 Kondome im Gepäck. Zehn Tage Karibik. Jetzt sind‘s schon zwanzig. Mindestens. Und von 3228 Passagieren sind drei schon tot. Die „Tamburin“ ist ein trunkenes Schiff, aber „kein gesundes“. Sie liegen vor Bora Bora und haben die Lungenpest an Bord. Alle in Quarantäne… mehr02.09.2020 Weimar: "Endlose Aussicht" von Theresia Walser mit Judith Rosmair im Rahmen des Kunstfest Weimar. Foto: Thomas Müller
Subtile Nadelstiche statt HolzhammmerSchauspielerin Judith Rosmair, zusammen mit der Autorin auch für die Regie verantwortlich, ist die Chronistin der sich zuspitzenden Situation. Eine unverbesserlich nonchalante Optimistin, die ihre Alltagsreflexionen in Bademantel und Kopfhandtuch pointiert in Szene zu setzen weiß: maximaler Ausdruck mit minimalen Mitteln ohne Requisiten und doppelten Boden (…), und schon bald hat Rosmair das Publikum fest in der Hand. Ihr Gesicht auf der Leinwand wird hier und da unterbrochen von (…) hoch stilisierten Wasserassoziationen, beigesteuert von Videokünstler Theo Eshetu. (…) Allegorie statt Anklage, subtile Nadelstiche statt Holzhammer, Fließen statt Kraftakt. Beide fragen nach dem Alleinsein in der Welt – einem Alleinsein, das lange vor Corona begonnen hat.
Torben Irbs, THEATER HEUTE, Nr. 10/2020

Flirrende Farben in tiefer See
Judith Rosmair, in einem grünen Samtmorgenmantel und mit komplizenhafter Ansprache in die Kamera, dazu kräftige Züge aus einer Weißweinflasche nehmend. Ihre Figur Jona befindet sich mit 3227 anderen Leuten auf einem Kreuzfahrtschiff in der Karibik, das wohl – „Wir sind kein gesundes Schiff“ – vorerst nirgendwo anlegen darf. (…) Ein Kreuzfahrtschiff, an erinnere sich an David Foster Wallace‘ ätzende Reportage, ist ohnehin ein schwimmendes Tollhaus, aber auch ein verseuchter Vergnügungskoloss auf dem Meer, einer literarischen Steigerung durchaus wert. Auch hier, in diesem zwischen süffig-provokanter Satire und Bermudadreieck-tiefer Abgründigkeit changierenden Monolog, gibt es eine zusätzliche Videokunst-Ebene. Theo Eshetu – für die Auseinandersetzung mit der zweifelhaften Buntheit postkolonialer Welten in internationalen Ausstellungen bis zur documenta bekannt – hat in flirrenden Farben in tiefer See wallende Mollusken gefilmt, die fast so künstlich aussehen wie aus einem Prospekt für Kreuzfahrten in der Karibik. Die Bilder stehen langsam und lange für den im Zuge des Jona-Furiosos keimenden Gedanken, dass solche Wesen nicht nur schön anzusehen sind, sondern auch seltsam allein leben in ihrer vor uns verschlossenen Welt, tief unter den Bäuchen der Kreuzfahrtschiffe. Das fließt wunderbar mit ein in die Walser’schen Lebenskatastrophenbetrachtungen.
Thomas Irmer, Theater der Zeit, Nr. 10/20

Das Publikum kugelt sich vor Lachen
Walsers „Endlose Aussicht“ ist eine geistreiche Exploration moderner Gier. Judith Rosmair als Jona sitzt in ihrer Kabine in der Falle. Unruhig durchschreitet sie die Bühne, während sie ihre scharfsinnigen Betrachtungen der Mitpassagiere herausfaucht. Das Publikum kugelt sich vor Lachen, allerdings wandelt sich die Atmosphäre, sobald die ungleiche Verhältnis zwischen Covid und Gesellschaftsschicht offengelegt wird in dieser komischen Parodie des Films Titanic.
Verity Healey, The Stage, UK, 18.9.2020

02.09.2020 Weimar: "Endlose Aussicht" von Theresia Walser mit Judith Rosmair im Rahmen des Kunstfest Weimar. Foto: Thomas Müller

Nahaufnahme von uns selbst
Hier führt sie (Judith Rosmair, Ergänzung der Redaktion) nun auch Regie, inszeniert sich also selbst. Das gelingt ihr klug und angemessen. (…) Die Kamera ist ihr Bühnenpartner, dem sie sich mitteilt, eine Vertraute, vielleicht auch eine Komplizin. Judith Rosmair trifft dabei immer den richtigen Ton. Einerseits findet sie eine Naivität für ihre Figur, so eine aufgehübschte Gutlaunigkeit trotz allem. Dann ist da aber auch wieder eine Traurigkeit, eine Tiefe und Schärfe in der Analyse. (…) Am Ende ist der Theaterabend eine Nahaufnahme von uns selbst: Europa am Rande einer globalisierten Welt, in der wir die alten Helden noch zu Tode pflegen, während wir schon wissen, dass nach uns eigentlich nichts mehr kommt: Ein werdendes Geisterschiff und Spaß dabei. Das ist auch die Antwort, die der Prophet für uns parat hält.
Stefan Petraschewsky, MDR Kultur, 4.9.2020

Biografien

Judith Rosmair (c) Manu TheobaldJUDITH ROSMAIR 
Ausgezeichnet als Schauspie­lerin des Jahres 2007 in der Kritikerumfrage der Fachzeitschrift Theater heute. Rosmair studierte Tanz in NYC und Schauspiel an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Es folgten Engagements am Schauspielhaus Bochum, am Thalia Theater Hamburg und an der Schaubühne Berlin, seit 2012 arbeitet Rosmair frei. Sie war Protagonistin in Arbeiten von zahlreichen namhaften Regisseur*innen… mehr

Theresia Walser (c) Susanne JeffsTHERESIA WALSER
Die 1967 in Friedrichshafen geborene jüngste Tochter des bekannten Schriftstellers Martin Walser gehörte nach ihrer Schauspielausbildung an der Hochschule für Musik und Theater Bern zwei Jahre lang zum Ensemble am Jungen Theater Göttingen. 1997 wurden ihre ersten beiden Stücke uraufgeführt: „Das Restpaar“ in Stuttgart und „Kleine Zweifel“ an den Münchner… mehr