EURO-STUDIO Landgraf in Zusammenarbeit mit dem Theater in Kempten (T:K)
DIE DREIGROSCHENOPER
(„The Beggar’s Opera“)
Ein Stück mit Musik in einem Vorspiel und 8 Bildern
nach dem Englischen der „Beggar’s Opera“ von John Gay (Text)
und Johann Christoph Pepusch (Musik)
Übersetzt von Elisabeth Hauptmann
Deutsche Bearbeitung von Bertolt Brecht
Musik von Kurt Weill
Fassung für das T:K von Silvia Armbruster und Hans Piesbergen
ca. 6. Oktober – 5. November 2026
Tournee-Besetzung wird noch bekannt gegeben.
7 Darsteller*innen + Band
insges. ca. 14 Mitwirkende
Regie: Silvia Armbruster
Musikalische Leitung: Philip Tillotson
Bühne und Kostüm: Michael S. Kraus
Uraufführung: 31.8.1928, Theater am Schiffbauerdamm Berlin
Premiere dieser Fassung: 14.3.2025, Theater Kempten
Aufführungsrechte: Suhrkamp Theater Verlag, Berlin
Spieldauer:
ca. 2 Stunden 30 Minuten inkl. Pause
Inhalt
„The Beggar’s Opera“ traf sowohl im London des frühen 18. Jahrhunderts als auch im Nachkriegs-England der 1920er-Jahre – ebenso wie die „Die Dreigroschenoper“ in der instabilen Weimarer Republik – auf eine Gesellschaft, die von sozialer Ungleichheit, einer tiefen Kluft zwischen Arm und Reich, politischer Korruption, der Verflechtung von Macht und Kriminalität und dem Gefühl geprägt war, dass moralische Werte zur bloßen Fassade geworden sind. Mit der berühmten, weltweit auch außerhalb des Theaters durch Opern-, Schlager-, Jazzsänger und Chansonniers populär gewordenen „Moritat von Mackie Messer“, in der der Straßenräuber Macheath vorgestellt wird, beginnt eines der berühmtesten Theaterstücke des 20. Jahrhunderts.
Macheath, die aus John Gays „The Beggar’s Opera“ übernommene, die Einbrecher Londons kontrollierende Gentleman/Gauner-Mischung, hat ein berüchtigtes reales Vorbild: den legendären Dieb und Ausbrecherkönig Jack Sheppard (*1702), der – im Gegensatz zu dem am Ende begnadigten Macheath – erst 22 Jahre alt 1724 in London öffentlich gehängt wird. Vorbild für den „Bettlerkönig“ genannten Peachum, der sogar denselben Vornamen trägt, ist Macheaths gnadenloser Gegenspieler: Jonathan Wild (* 1683), der offiziell als „Diebesfänger“ (Thief-taker) auftritt, aber inoffiziell selbst Kopf eines weitreichenden kriminellen Netzwerks ist. Er arbeitet eng mit der Justiz zusammen, verrät gezielt Konkurrenten und ehemalige Komplizen, um sich selbst zu schützen und seine Macht zusichern. Er ist 42 Jahre alt, als er – ein Jahr nach Macheath/Sheppard – 1725 gehängt wird.
Die beiden historischen Vorbilder sind sich auch im realen Leben begegnet. Denn wie Peachum in der „Dreigroschenoper “ ist es Jonathan Wild, der den jungen Jack Sheppard festnehmen lässt – und damit für dessen Tod verantwortlich ist. Als Jonathan Peachum, erfährt, dass Mackie heimlich seine Tochter Polly geheiratet hat, sinnt er auf Rache. Er erpresst Mackies besten Freund, Tiger Brown, den obersten Polizeichef von London dadurch, dass er ihm droht, mit den Bettlern seiner zynisch »Bettlers Freund« genannten Firma, den Krönungszug von Queen Victoria zu stören, wenn Mackie nicht ausgeschaltet wird. Dass er Brown überhaupt mit seinen Bettlern erpressen kann, liegt an Peachums genialem Geschäftsmodell: Um möglichst viel Mitleid zu erregen, stattet er sie zu deformierten Krüppeln aus – und kassiert skrupellos die Hälfte der Almosen, die ihr erbarmungswürdiges Aussehen provoziert, für sich. Als Macheath – von Tiger Brown gewarnt – untertaucht, übernimmt die im Gegensatz zur Erwartung ihrer Eltern überraschend entschlossene Polly kurzerhand seine »Platte« genannte Bande und führt das Geschäft weiter. Sie weiß sehr genau, was sie will. Frau Peachum, die genau weiß, dass Mackie an bestimmten Wochentagen zuverlässig bei seinen Huren ist, hat einen perfide kalkulierten Plan, um ihn auszuschalten. Da sie vermutet, dass Jenny wegen der Hochzeit mit Polly wütend auf ihn ist, braucht sie gar nicht viel Bestechungsgeld, damit Jenny ihren früheren Geliebten verkauft. Sie verrät sein Versteck – und Mackie wird zum ersten Mal verhaftet. Brown hat seiner Tochter Lucy natürlich von der spektakulären Festnahme berichtet –nicht ahnend, dass auch sie ein Verhältnis mit Mackie hat.
Mit Lucy kommt ein weiterer geistiger Impulsgeber für „The Beggar’s Opera“ ins Spiel: Das Vorbild für Mackie-liebt-alle-Frauen ist Gays Freund Jonathan Swift, anglikanischer Priester, Politiker und Schriftsteller („Gulliver’s Reisen“). Nicht so öffentlich wie Mackie, sondern heimlich lebt er mit zwei Frauen gleichzeitig zusammen – bis es zur Katastrophe kommt: Eine stirbt angebrochenem Herzen, als sie von der anderen erfährt. Lucy läuft sofort ins Gefängnis, um ihn zu sehen – und trifft dort überraschend auf Polly, die ihr mit demonstrativem Stolz ins Gesicht sagt, dass sie mit Macheath verheiratet ist. Als die beiden aneinandergeraten (den Text für die zweite Strophe des »Eifersuchtsduetts« schreibt Karl Kraus während der Generalprobe – nachdem er Brecht überzeugt hat, dass eine Strophe zu wenig ist für den Zickenkrieg), stellt Mackie sich demonstrativ auf Lucys Seite – nicht aus Liebe, sondern weil er weiß, dass sie die Schlüssel zum Gefängnis von ihrem Vater stehlen kann. Und tatsächlich hilft sie ihm zur Flucht. Wie nicht anders zu erwarten, wird Mackie auch diesmal wieder in einem Bordell entdeckt und zum zweiten Mal verhaftet.
Doch – schon am Galgen – wird er im allerletzten Moment von einem »reitenden Boten der Königin« (es ist Polizeichef Brown) nicht nur begnadigt, sondern erhält – als sei nichts gewesen – »ein Schloss, eine Rente von 10.000 Pfund bis zu seinem Lebensende« und wird »in den erblichen Adelsstand erhoben.« ABER: »Die reitenden Boten kommen nur selten, und die Getretenen treten wieder. Darum soll man das Unrecht nicht allzu sehr verfolgen.«
Werkgeschichte
„The Beggar’s Opera“
1728 EINE THEATERSENSATION IN LONDON
Zum Überraschungserfolg wird am 29.1.1728 die Uraufführung von „The Beggar’s Opera“ im Londoner Lincoln’s Inn Fields Theatre.
»Den Namen hat Gays Oper vom Bettler, der die Oper veranstaltet«.*
Statt edler Helden treten in diesem Gegenmodell zur prunkvollen italienischen Oper und als bissiger Spiegel des englischen Großbürgertums Diebe, Huren, Ganoven und Bettler auf. Und statt italienischem Operngesang gibt es in der Ballad Opera des in Berlin geborenen und in London lebenden Komponisten Johann Christoph Pepusch neuarrangierte, gut singbare, populäre Lieder in der Landessprache.
*zitiert nach Dieter Wöhrle: Bertolt Brecht: Die Dreigroschenoper. Verlag Moritz Diesterweg, Frankfurt/Main 1996
Brecht und Weill greifen dieses bühnenwirksame Personal in der „Dreigroschenoper“ wieder auf.
Mit 62 Aufführungen ist „The Beggar’s Opera“ 157 Jahre lang die erfolgreichste Produktion ihrer Ära. Getoppt wird dieser Rekord erst 1885 von Gilbert & Sullivans erfolgreichster Operette „The Mikado“,deren Erstaufführungsserie im Londoner Savoy Theatre 672 Mal läuft.
„The Beggar’s Opera“ in New York
In der damals noch britischen Kolonie New York wird „The Beggar’s Opera“ schon 1750 –also nur 22 Jahre nach der Uraufführung – vermutlich von Emigranten oder einer englischen Company aufgeführt. Das Besondere ist das Theater: Während Aufführungen zu jener Zeit meist in Gasthäusern, auf Marktplätzen, in improvisierten Sälen oder Zelten stattfinden, ist das rund 280-300 Plätze fassende Nassau-Street-Theatre eines der ersten festen Theaterhäuser der Stadt mit einer Bühne, einfachen Kulissen und einer rudimentären technischen Ausstattung.
John Gay (1685-1732)
Zu den bedeutendsten englischen Dichtern und Dramatikern des 18. Jahrhunderts gehören neben John Gay und Daniel Defoe (1660-1731), der durch seinen Roman „Robinson Crusoe“ weltberühmt wird, auch der „Gullivers Reisen“-Autor Jonathan Swift (1667-1745). Auf dessen Anregung schreibt Gay „The Beggar’s Opera“, deren Uraufführung am 29.1.1728 zum Höhepunkt seiner Karriere wird. Durch die Gleichsetzung von „high life = low life“ entlarvt Gay die Doppelmoral einer Gesellschaft, in der alle Schichten gleichermaßen unmoralisch handeln.
Die bissige Satire auf politische Korruption, Justizwillkür und den zeitgenössischen Opernbetrieb trifft den Nerv der Zeit. Am 3.2.1728 berichtet die britische Wochenzeitung The Craftsman: »Diese Woche wurde im Theater in Lincoln’s Inn Fields ein neues musikalisches Schauspiel aufgeführt, das großen Beifall fand« – und spöttelt: »‚The Beggar’s Opera‘ wird RICH froh und GAY reich machen.«
Das Wortspiel um die Namen behält recht: GLÜCKLICH wird Theaterleiter John Rich, der sich durch den unerwarteten Geldregen seinen Traum vom eigenen Theater erfüllt (am 7.12.1732 wird das Theatre Royal, das heutige Royal Opera House, eröffnet). Und auch Autor John Gay (engl. gay = fröhlich, glücklich), der bis dahin auf die Unterstützung seiner Mäzene angewiesen war, ist durch sein bekanntestes Werk in den letzten knapp fünf Jahren seines Lebens (am 4.12.1732 stirbt er erst 47-jährig an einer Lungenentzündung und wird in der Westminster Abbey beigesetzt) tatsächlich REICH geworden.
Dass der Publikumsrenner auf der Insel viele Autoren zu Nachahmungen und Parodien inspirieren würde, war zu erwarten. Dass „The Beggar’s Opera“ durch das Londoner Remake im Lyric Theatre in Hammersmith mit über 1.463 Aufführungen nach der Premiere am 5.6.1920 und durch Elisabeth Hauptmann zu einem Welthit wird ist internationale Theatergeschichte.
Johann Christoph Pepusch (1667-1752)
Als der in Berlin geborene Komponist seine Anstellung am preußischen Hof um 1697 wohl als Reaktion auf die Hinrichtung eines Offiziers ohne Gerichtsverfahren verlässt, zieht er nach London und beginnt dort ein neues Leben. Rasch etabliert er sich als Bratschist, Lehrer, Organist und Theoretiker – und prägt das Musikleben der Stadt nachhaltig. 1718 heiratet er die italienische Sopranistin Margherita de L’Épine, die in mehreren Werken ihres Mannes, der 1713 von der Universität Oxford zum Doctor of Music ernannt worden war, auftritt.
Als Komponist wird der Mitbegründer und musikalische Leiter der Londoner Academy of Vocal Music (ab 1731 Academy of Ancient Music) vor allem durch „The Beggar’s Opera“ bekannt. Um den satirischen Ton von John Gays Texten musikalisch aufzunehmen, wählt er die Ballad Opera – ein Genre, das sich im frühen 18. Jh. als Gegenentwurf zur aufwendigen italienischen Oper Händels entwickelt hat. Da es statt der Arien populäre Gesangsformen und statt der Rezitative umgangssprachliche Dialoge gibt, komponiert Pepusch nur die Ouvertüre und ein Lied. Für die übrigen 69 Musiknummern erfindet er raffinierte Arrangements zu populären Melodien – Volksliedern, Tanzweisen und Opernarien –, die dem Publikum vertraut sind.
Hauptmann, Brecht und Weill greifen diese Form in der Dreigroschenoper auf und entwickeln sie zu einem politisch engagierten Musiktheater weiter, bei dem das Publikum nicht emotional vereinnahmt, sondern zum kritischen Nachdenken angeregt werden soll.
Pressestimmen
Gefeiert und geschmäht – zwei Kritiken zur Uraufführung
In diesem Spiel, das an das Schwerste rührt, ist alles leicht, und gerade weil alles so bitter durchtränkt scheint, ist alles lustig.
Monty Jacobs, Vossische Zeitung, 3.9.1928
Leuten, die an chronischer Schlaflosigkeit leiden, empfehle ich zurzeit dringend einen Besuch des Theaters am Schiffbauerdamm.
Neue Preußische Kreuz-Zeitung, Berlin, 1.9.1928
Zur Premiere in Kempten
Bissige Texte, eingängige Songs – „Die Dreigroschenoper“ begeistert ihr Publikum
Was eignet sich besser, um gegen den klassischen Opernbetrieb mit seinen banalen Inhalten anzuschreiben, als eine Oper für Bettler?BGenau das taten Bertolt Brecht, Kurt Weill und Elisabeth Hauptmann. Letztere erfuhr vom Londoner Erfolg von John Gays „Beggar’s Opera“ (1728), welche das Künstlerkollektiv schließlich zur Grundlage für ihre bissige Gesellschaftskritik „Die Dreigroschenoper“ machte. Die Inszenierung von Silvia Armbruster greift diesen Geist auf und verweist auf die Aktualität des Stücks. (…) Florian Peters gibt Macheath die glatte Fassade eines geschäftstüchtigen Gentlemans, hinter der sich eiskalte Skrupellosigkeit verbirgt. In seiner Darstellung wird sein Verbrecher-Dasein nicht als krimineller Akt, sondern als eine smarte Business-Idee erlebbar. Mit spitzer Zunge offenbart Hans Piesbergen als Peachum treffsicher die Lumpigkeit eines Mannes, der das Elend der Armen vermarktet. (…) Das Publikum ist von der größten Eigenproduktion am Theater in Kempten begeistert (…).
KEMPTEN Steffi Kutz, merkur.de, 19.3.2025
Biografien
SILVIA ARMBRUSTER
Die im württembergischen Bietigheim geborene Regisseurin ist seit August 2015 Künstlerische Leiterin des Theater in Kempten (T:K). Sie studierte Germanistik und Philosophie an der Ludwigs-Maximilians-Universität München und übernahm bereits während des Studiums Regieassistenzen in Stuttgart, Mannheim, Bremen und München, u. a. bei George Tabori und Johann Kresnik. 2002 erhielt sie ein einjähriges Stipendium für Drehbuch an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Seit 1994 arbeitet sie als freischaffende Regisseurin… mehr