So etwas wie die geradezu atemberaubende literarische Karriere von Florian Zeller gibt es eigentlich nur im Märchen! Was immer der französische Autor beginnt – es gelingt ihm: Der am 28.6.1979 in Paris geborene Florian Zeller gehört zu den wenigen, die am elitären L’institut d’études politiques in Paris zugelassen wurden. Heute ist er dort Dozent für Literatur. Gleich sein erster Roman „Neiges artificielles“, den der 22jährige 2002 veröffentlichte, katapultierte ihn an die Spitze der französischen Literaturszene. Er wurde dafür mit dem renommierten Prix de la Fondation Hachette ausgezeichnet. Nach diesem Sensationsdebüt erschien fast jedes Jahr ein neuer Roman: 2003 „Les Amants du n’importe quoi“, ausgezeichnet mit dem Prix de Prince Pierre de Monaco; 2004 „La Fascination du pire“, nominiert für den Prix Goncourt – und noch im selben Jahr ausgezeichnet mit dem Prix Interallié. – dem neben dem Prix Goncourt und Prix Fémina wichtigsten Literaturpreis Frankreichs; 2006 „Julien Parme“. Seine Romane sind inzwischen in zehn Sprachen übersetzt.
Auch sein Sprung auf die Theaterbühne gelang. Die Pariser Kritik und das Publikum haben ihn schon bei seinen ersten drei Stücken in den Theaterolymp gehoben. Sein Reichtum an Ausdrucksmöglichkeiten und seine Fertigkeit, zündende, temporeiche Dialoge zu schreiben, erstaunte Kritiker und Publikum gleichermaßen – ebenso wie die Leichtigkeit, mit der Zeller nicht eindimensionale Typen, sondern Menschen auf die Bühne stellt. Neben Yasmina Reza und Eric-Emmanuel Schmitt gehört er zur Spitze der französischen Dramatiker. 2004 wurde „L’Autre“ (dt. „Der Andere“) uraufgeführt. Im Nouvelle Observateur schrieb Jaques Nerson über dieses Stück: »Der Text enthält kein Wort zu viel, keine überflüssigen Ausschmückungen, an denen man den Anfänger erkennt. Alles ist notwenig und effektiv«. 2005 folgte die Komödie „Le Manège“ (dt. „Der Dreh“), 2006 das Schauspiel „Si tu mourais“ (dt. „Wenn du tot wärst“). Der französische Bühnen- und Filmstar Cathérine Frot spielte eine der Hauptrollen in letztgenanntem Stück, für das Zeller 2006 den Prix Jeune Théâtre de l’Académie françai’ erhielt. Pierre Nora lobte in seiner Laudatio: »Florian Zeller besticht damit, wie er Pirandellos Thema – die Verzahnung von Wahrheit und Lüge, von Wirklichkeit und Illusion – in unsere Zeit überträgt«. Zellers Stil, den man schon bei seinem Theaterdebüt „Der Andere“ mit dem von Françoise Sagan verglich, wurde auch mit Lob überhäuft, als er für die Verfilmung ihres Theaterstücks „Ein Schloss“ in Schweden das Drehbuch schrieb. »Raffinierte Dialoge machen das Kammerspiel zu einem intellektuellen Vergnügen.« Bekannte Stars reißen sich mittlerweile darum, in seinen Stücken aufzutreten. 2008 hatte „Elle t’attend“ (dt. „Sie wartet auf dich“) mit Laetitia Casta und Bruno Todeschini in den Hauptrollen Premiere, 2010 Florian Zellers feinfühlige Momentaufnahme einer Frau, die sich abseits von Mutterschaft und Eheleben neu in ihrem Leben zurechtfinden muss: „La Mère“ (dt. „Die Mutter“). Um die Titelrolle in diesem Stück zu spielen, verließ Catherine Hiegel nach mehr als vierzig Jahren sogar die Comédie Française. 2011 landete Florian Zeller mit „La Vérité“ (dt. „Die Wahrheit“) einen veritablen Komödienhit. Die Rolle des Lügenbarons Michel hat er dem international viel beschäftigten Star Pierre Arditi auf den Leib geschrieben. Das Stück wurde en suite bis Ende des Jahre 2011 gespielt. Mittlerweile gibt es auch das Gegenstück zu „Die Wahrheit“: die 2015 in Paris uraufgeführte Komödie „Die Lüge“. Der Clou: Zeller beschreibt hier dieselben Personen wie in „Die Wahrheit“, zeigt sie aber in anderen Konstellationen.
Eine ganz neue Seite von Florian Zeller entdeckt man in der 2011 uraufgeführten tragischen Farce „Le Père“ (dt. „Vater“). Zeller erhielt für dieses aus der Perspektive eines an Demenz bzw. Alzheimer erkrankten Mannes erzählte Schauspiel 2014 den Prix du Brigadier. Nach Françoise Sagan, Eugène Ionesco und Jean Anouilh ist Zeller erst der vierte Autor, der mit diesem wichtigen Preis geehrt wurde. Zusätzlich gab es 2014 auch den renommierten Prix Molière in der Kategorie BESTES STÜCK. Das berührende Stück war und ist aber nicht nur in Frankreich, sondern auch in England ein Hit und wurde 2016 in London für den LAURENCE OLIVIER AWARD als BESTES NEUES STÜCK nominiert. Der Olivier Award ist die höchste Auszeichnung des britischen Theaters. Auch die Broadway-Produktion von „Vater“ machte Furore: Sie war sowohl nominiert für den Theater-Oscar TONY AWARD als BESTES STÜCK als auch für den OUTER CRITICS CIRCLE AWARD als HERAUSRAGENDES BROADWAY-STÜCK. „Vater“ hatte als Koproduktion der Schauspielbühnen in Stuttgart und des EURO-STUDIO Landgraf im Oktober 2016 in Stuttgart Premiere und wird dann auf Tournee gespielt. 2013 kehrte Zeller mit der Chaos-Komödie „Une Heure de Tranquillité“ (dt. „Eine Stunde Ruhe“) wiederum ins klassische Unterhaltungsfach zurück. Mit den Mitteln der Srewball-Comedy erzählt er hier, wie das Leben eines Ehemanns, Geliebten und Vaters Stück für Stück zusammenbricht, obwohl der doch eigentlich nur eine Stunde Ruhe haben wollte – von Patrice Leconte 2014 sehr erfolgreich mit Christian Clavier („Monsieur Claude und seine Töchter“) verfilmt. Als EURO-STUDIO-Produktion ist dieses Stück seit 2019 mit Timothy Peach in der Hauptrolle auf Tournee. 2016 folgte „L’Envers du décors“ (dt. „Die Kehrseite der Medaille“), das Zeller für den französischen Schauspielstar Daniel Auteuil schrieb und das von einer explosiven Liebe mit riesigem Altersunterschied handelt. Ab der Spielzeit 2021/2022 geht dieses Stück als EURO-STUDIO-Produktion (erneut mit Timothy Peach) auf Gastspielreise. „Avant de s’envoler“ wurde 2016 im Théâtre de l’Oeuvre, Paris uraufgeführt. André und Madeleine, seit Jahrzehnten ein untrennbares Paar, stehen vor existenziellen Fragen: Wie geht es weiter mit ihnen, dem Haus, den Kindern? Die beiden Töchter Anne und Elise sind gekommen, um zu helfen, das Leben der Eltern zu organisieren, ihr Leben, das einmal ein Ende haben wird … Unter dem Titel „The Height of the Storm“ wurde das Stück im Oktober 2018 in Wyndhams Theater in London uraufgeführt. »… ein tief bewegendes Stück, das uns an die Grenze dessen bringt, was es bedeutet, jemanden zu lieben«, schrieb Dominic Maxwell, The Times, 10.10.2018. Der Guardian wählte „The Height of the Storm“ zum Besten Stück des Jahres 2018. Es lief 2019 am Manhattan Theatre Club am Broadway. Die deutsche Premiere „Vor dem Entschwinden“, übersetzt von Annette und Paul Bäcker, fand im Januar 2020 beim Rheinisches Landestheater Neuss statt.„Le Fils“ („Sohn“) ist der letzte Teil der mit „La Mère“ („Mutter“) und „Le Père“ („Vater“) begonnenen Trilogie. „La Mère“ wurde 2010 im Théâtre de Paris , „Le Père“ 2012 im Théâtre Hébertot in Paris uraufgeführt. „Le Père“ war ein vielfach preisgekrönter international Erfolg (s. o.). Die deutsche Produktion „Vater“ wurde mit dem 2. INTHEGA-Preis 2017 ausgezeichnet und ist seit der Spielzeit 2016/2017 im Spielplan der Konzertdirektion Landgraf. „Le Fils“ handelt von dem depressiven 17-jährigen Nicolas, der bei seiner Mutter lebt und seit Monaten die Schule nicht besucht. Sein Vater Pierre hat gerade ein Kind mit seiner neuen Partnerin bekommen. Nachdem Nicolas bei ihm eingezogen ist, unternimmt Pierre alles, um Nicolas auf seinem Weg ins Leben zu unterstützen. Das Stück wurde von der französischen Presse begeistert aufgenommen. »„Le Fils“ ist ein sehr großes zeitgenössisches Werk, das ein Thema aufgreift, das jeden berührt, ob man damit konfrontiert wird oder nicht. Ein bemerkenswert komponiertes und geschriebenes Stück, bei dem jedes Wort zählt.« (PARIS Armelle Héliot, Le Figaro, 23.9.2018). Es wurde 2018 für die Crystal Globes in der Kategorie Bestes Spiel nominiert.
Als Schriftsteller scheint Zeller die Abwechslung zu lieben. Neben seinen Schauspiel-Erfolgen schrieb er inzwischen nicht nur Liedtexte für das Album „Aimer ce que nous sommes“ des französischen Chansonniers Christophe, sondern hat auch ein Opernlibretto („Háry János“ von Zoltán Kodály) ins Französische adaptiert. Bei der Premiere im Théâtre du Châtelet stand hier immerhin Gérard Depardieu als Sprecher auf der Bühne. Für einige Jahre gehörte Multitalent Zeller außerdem zu den Lektoren des Dauerbrenners „Vol de Nuit“ – einer Kult gewordenen Late-Night-Show im französischen Fernsehen – und veröffentlichte regelmäßig Artikel u. a. in Paris Match. Im renommierten französischen Wochenmagazin Le Point war 2007 zu lesen: »Florian Zeller ist nicht länger ein vielversprechender Autor. Seine schriftstellerische Brillanz hat Bestand. Bei diesem Tempo fragt man sich, wo das enden wird: Goncourt mit 30? Nobelpreis mit 50? Unsterblich mit 60?« Und der Romancier Jean Marie Rouart formuliert: »Es wird nie langweilig mit ihm. Er verzaubert mit seinem Können.« Florian Zeller lebt in Paris und ist verheiratet mit der französischen Filmschauspielerin und Bildhauerin Marine Delterme, die eine der Hauptrollen in der Pariser Produktion seines Stückes „Der Dreh“ spielte. Im Dezember 2008 wurde ein gemeinsamer Sohn geboren.
Aktuelle Produktion: „Die Kehrseite der Medaille“